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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine ungeheure Wucht. Makaroff wurde mit pendelnden Armen herumgerissen, stürzte gegen die Tischkante, wollte sich daran festhalten, aber in ihm blähte sich etwas auf, er fühlte sich wie ein Ballon, der überdehnt wird, der Atem wurde abgedrückt, das Herz schwoll, hinter den Augäpfeln klopfte es wie mit Schmiedehämmern. Er knickte ein, fiel auf die Knie, dann auf das Gesicht, er spürte noch, wie Wollfusseln des Teppichs in seine Mundhöhle drangen, weil er in den Teppich biß, und dann erreichte der Druck sein Hirn und schaltete das Bewußtsein für immer ab.
    »Sie – sie war ja doch geladen, Petro …« sagte Monika mit kindlicher Stimme. »Nun siehst du, wie ich schießen kann? Nun siehst du es …«
    Sie ließ die Pistole fallen, rannte aus dem Zimmer, warf sich in der Wohnhalle auf das arabische Ruhebett und wühlte den Kopf in die Seidenkissen.
    Als sie wieder klar denken konnte, wußte sie nicht, wie lange sie so gelegen hatte. Sie nahm ihre Umwelt wieder wahr, weil es ununterbrochen klingelte und weil ihr Körper nach Heroin schrie. Die Frist bis zu einer neuen Nadel war längst überschritten. Sie fror erbärmlich, ihr Magen krampfte sich zusammen, kalter Schweiß ließ das Nachthemd an ihrem Körper kleben. Sie stand auf, tappte auf nackten Füßen herum und wußte nicht, woher das Klingeln kam. Dann ging sie in die Eingangshalle, hörte dort aus einem goldenen Kasten das Schrillen, drückte auf alle Knöpfe, die neben der Tür in die Wand eingelassen waren, riß die Tür weit auf und kehrte ins Haus zurück.
    Wer es auch ist – holt mich ab! Bringt mich weg von hier! Werft mich auf den Müll! Bitte, werft mich auf den Müll! Ich will nicht mehr … ich will nicht mehr …
    Wie ein verschwommenes Bild sah sie ihre Mutter plötzlich vor sich stehen. Das war unmöglich, das war ein Wahngebilde, aber dieses Wahngebilde sagte:
    »Wie kommst du hierher? Wie siehst du denn aus? Monika, o Gott, Monika, was hat er mit dir gemacht? Wo ist Makaroff?«
    Und sie antwortete diesem Wahngebilde: »Ich habe ihn erschossen, Mama. Mit einer ungeladenen Pistole erschossen. Ist das möglich, Mama? Er hat selbst gesagt, sie sei nicht geladen. Aber ich habe ihn erschossen …«
    Plötzlich wurde das Bild klar. Ihr Körper schrie nach Heroin und warf sie mit aller Brutalität ins Leben zurück. Es war wirklich ihre Mutter, sie stand in der Halle, bleich, aber gefaßt, ihr Atem flog, und Monika sah sie starr an, sah, wie ihre Brust auf und nieder ging, und sie dachte an die Fotos und an das Ende der Heiligkeit und an die Zertrümmerung der Welt und sagte ohne Schwanken in der Stimme:
    »Er liegt in seinem Arbeitszimmer. Du kennst es ja …«
    »Ich weiß nicht, wo das ist.«
    »Du kennst doch dieses Haus!«
    »Ich war noch nie hier!«
    »Ich habe die Fotos gefunden …«
    »Er hat also doch noch Abzüge! Ich werde dir alles erklären! Es war in Bad Homburg …«
    »Nicht hier?«
    »Mein Gott, frag jetzt nicht soviel! Du mußt weg von hier! Sofort weg!«
    »Ich muß fragen! Ich habe ihn wegen der Fotos erschossen!«
    »Es war ein Unfall!«
    »Ich habe geschossen!«
    »Es war ein Unfall, wie bei Freddy.«
    Monika wirbelte herum. »Was weißt du von Freddy?« schrie sie.
    »Alles, ich weiß alles. Wir wissen alles, dein Vater und ich! Aber nur wir allein! Ich habe dein Tagebuch gefunden. Es ist weg. Papa hat es verbrannt.«
    »Papa!« Ihr Kopf zuckte wieder hoch. »Lügt er noch immer?«
    »Er hat mir von Bettina erzählt. Ich habe ihm die Fotos gezeigt. Es war ein großes Saubermachen. Aber jetzt weiß er nicht, wo ich bin. Daß Makaroff hier wohnt, habe ich durch Zufall erfahren; ich bin ihm eines Tages nachgefahren. Mein Gott, wir müssen weg! Zieh dich sofort um!«
    »Ja, Mama.« Monika zog sich aus und hockte nackt auf dem Ruhebett. Ihre Nerven krampften sich zusammen. Im Mund begann sich der alarmierende pelzige Geschmack auszubreiten. »Ich muß mir einen Druck machen«, sagte sie. »Sofort!«
    »Spätzchen …« stammelte Maria Barrenberg. »Bitte …«
    »Ohne das drehe ich durch! Willst du, daß ich durchdrehe?! Ausgerechnet jetzt? Du hast es doch gelesen, Mama. Wenn ich mir jetzt nicht einen Schuß gebe …«
    »Bitte nicht! Bitte, Spätzchen!«
    »Ich – ich kann doch nicht anders. Sieh dir das an! Sieh dir das doch an!« Sie hob die Hände hoch. Sie zitterten wie in einem Schüttelfrost. »Du mußt mir helfen, Mama. Bitte, hilf mir!«
    »Helfen?«
    »Guck dir meine Hände an. Ich verschütte zuviel! Er hat mir
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