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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nur ein halbes Halbe gegeben. Da darf nichts verschüttet werden, gar nichts. Du mußt mir helfen, Mama, du mußt das H aufkochen. Ich sag' dir, wie man's macht. Du mußt, Mama!«
    »Das kannst du nicht verlangen!« Maria Barrenberg begann zu weinen. Still, demütig, wie es ihre Art immer gewesen war. Die Tränen rannen ihr über die Wangen in die Mundwinkel. »Ich kann das nicht.«
    »Willst du mich verrecken lassen?« schrie Monika. »Ich verrecke, sage ich dir! Da in dem Kasten ist alles – und Kerzen stehen genug herum. Ich sage dir, was du tun mußt!«
    So nahm Maria Barrenberg den Löffel, streute das Heroin hinein, kochte mit ein paar Tropfen Wasser die schreckliche Injektion auf, hielt den Löffel über eine Kerze, bis Monika »Halt!« sagte, zog die Spritze mit der Flüssigkeit auf und hielt Monikas Arm fest, während sie sich die Nadel in die Vene stach.
    Dann kam die Reaktion. Der Körper bäumte sich auf, die Hitzewelle durchschoß Hirn und Adern, das Atmen wurde zum Keuchen, und Maria Barrenberg drückte den nackten, zitternden Körper ihrer Tochter an sich, streichelte sie, preßte sie ganz fest gegen sich, spürte, wie sich die Verkrampfungen lösten, wie der Körper gierig das Gift verarbeitete, und wie unter ihren Händen ein Mensch, ein Stück von ihr, nur deshalb in eine klare Welt zurückkehrte, weil er wiederum die Zerstörung seiner selbst betrieben hatte.
    Während Monika mit starrer Kühle alles aufräumte, Hemd und Negligé in den Schrank zurückhängte, die Pantoffeln wegstellte, ihre eigenen Kleider anzog, die Kissen glattklopfte, die Gläser spülte und glaubte, alle Spuren beseitigt zu haben, war Maria Barrenberg in Makaroffs Arbeitszimmer gegangen. Sie kam mit versteinertem Gesicht, aber äußerlich sehr ruhig zurück. Sie brachte die Pistole mit, den Griff mit einem Taschentuch umwickelt.
    »Er ist wirklich tot!« sagte sie. »Bist du fertig, Spätzchen?«
    »Ja, Mama.« Monika lehnte an der Bar. Sie hob die Schachtel mit den Fotos hoch. »Hier sind die Bilder.«
    »Wir werden sie zu Hause verbrennen. Wie alles, was hinter uns liegt. Wir wollen alles anders machen. Einverstanden? Papa und ich und vor allem du, wir sind alle noch jung genug, um ein neues Leben zu beginnen. Für Papa und mich werden es vielleicht noch zwanzig Jahre sein – aber das lohnt sich doch? Das sind mehr Jahre, als du bisher gelebt hast. Soviel haben wir noch vor uns! Und du erst, Spätzchen! Ein ganzes Leben. Das hat doch eben erst begonnen! Wollen wir jetzt alles anders machen, Spätzchen?«
    »Wenn es noch geht, Mama …«
    »Wir müssen schwer dafür schuften, Spätzchen. Nicht mit dem Körper. Hier drinnen, mit dem Herzen, mit der Seele. Wir haben alle viel zu verarbeiten. Aber wir schaffen es! Ich bin mir ganz sicher, daß wir es schaffen!«
    »Jetzt redest du wieder wie Papa«, sagte Monika leise. »Nur mit anderen Worten. Ein Barrenberg läßt sich nicht unterkriegen! Auch wenn er auf dem Rücken liegt, kann er noch Bogen pissen …« Sie stieß sich von der Barwand ab. »Gehen wir, Mama?«
    »Hast du nichts vergessen?«
    »Nein.« Sie lächelte etwas verzerrt. »Wo ich gelandet bin, brauchte man kein großes Gepäck.«
    Niemand sah sie, als sie abfuhren. Es war wirklich eine sehr stille Gegend.
    Auf der Rückfahrt machten sie einen Umweg, fuhren in das Enkheimer Naturschutzgebiet zum Riedteich, versenkten dort die Pistole, indem sie einen großen Stein an den Griff banden und fuhren dann nach Frankfurt zurück.
    An einer Telefonzelle hielt Maria Barrenberg, stieg aus, betrat die Zelle und wählte die Nummer der Polizei.
    »Wer ist zuständig für Tote?« fragte sie.
    Der Beamte schien solche Fragen nicht gewöhnt zu sein; er war etwas irritiert.
    »Unfall?« fragte er.
    »Mord.«
    »Wer spricht denn da?«
    »Der Tote liegt in einer Villa in der Nähe des Hünengrabes bei Enkheim. Haus Nummer 4. Der Tote heißt Petro Makaroff.« Maria Barrenberg schüttelte den Kopf, als sitze sie dem Beamten gegenüber. »Nein, es war eigentlich kein Mord. Ein Unfall. Die Pistole war nicht geladen. Aber sie war doch geladen.«
    »Von wo rufen Sie an?« schrie der Beamte. Maria legte auf und ging zurück zum Wagen. Monika, mit großen, glänzenden Heroinaugen, lächelte sie an.
    »Was sagte die Polizei?«
    »Wo sind Sie? Wie heißen Sie?«
    »Total bekloppt!« Monika lachte etwas schrill. »Erwarten die wirklich eine Antwort darauf?«
    Maria Barrenberg fädelte den Wagen in den Verkehr ein und blickte starr auf die
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