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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Aaronovitch
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elektromagnetischer Strahlung. Das weiß ich.«
    »Vielleicht Hirnströme«, schlug Abigail vor.
    »Unwahrscheinlich. Die sind elektrochemischen Ursprungs, und sie müssten sich außerhalb des Kopfes auf irgendeine physikalische Art fortpflanzen.« Ich sollte einfach behaupten, Magie entstünde durch Feenstaub oder Quantenverschränkung (was im Prinzip das Gleiche ist wie Feenstaub, nur mit dem Wort »Quanten« drin).
    »Reden wir jetzt mit diesem Typen oder nicht?«, fragteLesley. »Sonst mache ich das hier jetzt nämlich aus.« Sie ließ das Werlicht auf ihrer Handfläche herumhüpfen.
    »He, Macky«, rief ich. »Eine Sekunde Ihrer kostbaren Zeit, ja?«
    Macky war wieder an seine Arbeit gegangen. Er konturierte soeben das D von UND.
    »Ich bin beschäftigt«, sagte er. »Ich mach die Welt besser.«
    »Und auf welche Art wollen Sie das tun?«, fragte ich.
    Macky beendete das D zu seiner Zufriedenheit und trat zurück, um sein Werk in Augenschein zu nehmen. Wir alle hatten die ganze Zeit darauf geachtet, so weit wie möglich von den Gleisen wegzubleiben, aber entweder ging Macky gern mal ein Risiko ein, oder (wahrscheinlicher) er dachte schlicht und einfach nicht mehr daran. Ich sah, wie Abigail mit den Lippen die Worte Oh Scheiße formte, als sie erkannte, was passieren würde.
    »Ich«, sagte Macky, und dann erwischte ihn der Geisterzug.
    Unsichtbar und stumm raste er an uns vorbei, bemerkbar nur durch eine heiße Dieselwolke. Macky wurde von den Gleisen geschleudert und landete verkrümmt genau unter dem S von DASEIN. Man hörte ein Röcheln, sein Bein zuckte noch ein paar Sekunden, dann lag er ganz still. Und begann zu verblassen und mit ihm sein Graffiti.
    »Kann ich aufhören?«, fragte Lesley. Das Werlicht war noch immer schwach – die Magie wurde weiter abgezweigt.
    »Augenblick noch«, bat ich.
    Ein leises Klappern erklang. Als ich zum Tunneleingang blickte, sah ich, wie dort eine verschwommene, durchsichtige Gestalt den Umriss eines B an die Wand sprühte.
    Zyklisch wiederkehrend , notierte ich in mein Büchlein, möglicherweise ohne eigenständiges Denken?
    Dann sagte ich Lesley, sie könne das Werlicht ausschalten. Macky verschwand. Vorsichtig gegen die Tunnelwand gepresst sah Abigail zu, wie Lesley und ich rasch den Schotterstreifen neben dem Gleis in Augenschein nahmen. Auf halbem Wege zum Eingang zog ich die gesprungenen, schmutzbedeckten Überreste von Mackys Brille aus dem Schotter. Ich behielt sie in der Hand und schloss die Augen. Was Vestigia angeht, sind sowohl Glas als auch Metall unberechenbar, aber ich fing ein paar ganz schwache Takte eines Rock-Gitarrensolos auf.
    In mein Büchlein notierte ich eine kurze Beschreibung der Brille – als physischen Beleg für die Existenz des Gespensts – und fragte mich, ob ich sie ins Folly mitnehmen sollte. Würde es eine Auswirkung auf den Geist haben, wenn man etwas, was so eng mit ihm verbunden war, vom Tatort entfernte? Und falls der Geist dadurch zu Schaden käme oder vernichtet würde – spielte das eine Rolle? War ein Geist eine Person?
    Ich kenne noch nicht einmal zehn Prozent der Bücher über Geister, die in unserer Bibliothek stehen. Eigentlich habe ich vor allem die Lehrbücher, die Nightingale mir empfohlen hat, gelesen, plus Sachen wie Wolfe und Polidori, über die ich während verschiedener Ermittlungen gestolpert bin. Aus dem, was ich gelesen habe, geht hervor, dass sich die offizielle Einstellung von Magiern zu Geistern über die Jahrhunderte stark verändert hat.
    Sir Isaac Newton, der Begründer der modernen Magie, schien sie als ärgerlichen Schönheitsfehler in seinem wohlgeordneten Universum zu betrachten. Im 18. Jahrhundertkam eine wahnwitzige Manie auf, Geister zu klassifizieren wie Pflanzen oder Tiere, und während der Aufklärung entbrannte an ihnen eine bitterernste Diskussion über den freien Willen. Die Viktorianer waren strikt in zwei Lager gespalten. Das eine hielt sie für dringend zu rettende Seelen und das andere für eine Art Verschmutzung der spirituellen Sphäre, die exorziert gehörte. In den 1930er Jahren, als Relativitätstheorie und Quantenphysik die dicken Lederpolster in der Bibliothek des Folly erschütterten, schlug die Spekulation ein wenig über die Stränge, und die armen alten Geister wurden als leicht verfügbare Versuchskaninchen für alle möglichen magischen Experimente eingesetzt – es herrschte die Übereinkunft, sie seien kaum mehr als Grammophonaufnahmen vergangener Leben und besäßen daher etwa
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