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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Aaronovitch
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Stein wird sie am besten gespeichert, in Lebewesen am schlechtesten. Beton ist fast so gut wie Stein, trotzdem sind die Spuren häufig schwach und kaum von den Produkten der eigenen Fantasie zu unterscheiden. Das eine vom anderen zu trennen ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man sich aneignen muss, wenn man zaubern lernen will. Die Kälte kam vermutlich vom Wetter, das fiese Kichern – eingebildet oder real – vonAbigail. Der Propangeruch und das Motorgedröhn deuteten auf die übliche Tragödie hin.
    »Und?«, fragte Lesley. Was Vestigia angeht, bin ich besser als sie, und nicht nur deshalb, weil ich schon länger in Ausbildung bin.
    »Hier ist was«, sagte ich. »Willst du ein Licht machen?«
    Lesley entfernte den Akku aus ihrem Handy und wies Abigail an, das Gleiche zu tun. Als diese zögerte, sagte ich: »Mikrochips, auf denen Saft ist, werden durch Magie zerstört. Wenn du nicht willst, musst du nicht. Es ist dein Handy.«
    Abigail zog das letztjährige Ericsson-Modell hervor, ließ es mit geübter Leichtigkeit aufschnappen und nahm den Akku heraus. Ich nickte Lesley zu – mein Handy besitzt eine manuelle Sicherung, die ich mit Hilfe eines meiner Cousins angebracht habe, der schon mit zwölf Handys auseinandergenommen hat.
    Lesley streckte die Hand aus, sprach das Zauberwort, und über ihrer offenen Handfläche erschien eine etwa golfballgroße Lichtkugel. Das Zauberwort lautete in diesem Fall Lux , und die gebräuchliche Bezeichnung für den Zauber ist Werlicht – es ist der erste Zauber, der einem beigebracht wird. Lesleys Werlicht leuchtete perlweiß und warf weiche Schatten an die Betonwände des Tunnels.
    »Krass!«, rief Abigail. »Ihr könnt echt zaubern.«
    »Da ist er«, sagte Lesley.
    An der Wand erschien ein junger Mann. Er war weiß, um die zwanzig und hatte eine hochgegelte, unnatürlich blonde Stachelmähne. Seine Kleidung bestand aus billigen weißen Turnschuhen, Jeans und einer Donkeyjacke. Er hielt eine Spraydose in der Hand, die er in einem sorgfältigen Bogenüber den Beton führte. Das Zischen war kaum hörbar, und keine frische Farbe traf die Wand. Als er unterbrach, um die Dose zu schütteln, hörte man das Klappern nur ganz gedämpft.
    Lesleys Werlicht wurde schwächer und rötlich.
    »Dreh’s ein bisschen auf«, bat ich sie.
    Sie konzentrierte sich, und das Werlicht flammte auf, ebbte aber sofort wieder ab. Das Zischen wurde lauter, und jetzt konnte ich sehen, was er sprayte. Er hatte sich ganz schön was vorgenommen – einen Satz, der ganz am Anfang des Tunnels begann.
    »Bunt ist das Da …«, las Abigail. »Was soll denn das heißen?«
    Ich legte den Finger an die Lippen und wechselte einen Blick mit Lesley, die mir mit einer Geste bedeutete, dass sie den Zauber, falls nötig, den ganzen Tag würde aufrechterhalten können. Nicht dass ich ihr das je erlaubt hätte. Ich zog mein Standard-Polizeinotizbuch aus der Tasche und zückte meinen Kuli.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich in meinem besten Polizistenton. »Darf ich Sie kurz etwas fragen?« Den Polizistenton bringen sie einem tatsächlich in Hendon bei. Das Ziel ist, einen Tonfall zu entwickeln, der unfehlbar durch jeglichen Dunst aus Alkohol, blinder Wut oder unbestimmt schlechtem Gewissen dringt, in dem der angesprochene Bürger sich gerade befinden mag.
    Der junge Mann ignorierte mich. Er zog eine zweite Spraydose aus der Jackentasche und begann die Konturen eines großen S zu sprühen. Ich versuchte es noch ein paarmal, aber er schien fest entschlossen, zuerst das Wort DASEIN fertigzustellen.
    »Heda, Freundchen«, rief Lesley. »Aufhören! Dreh dich um und antworte!«
    Das Zischen hörte auf, die Spraydosen verschwanden in den Taschen, und der junge Mann drehte sich um. Er hatte ein scharf geschnittenes bleiches Gesicht, und seine Augen waren hinter einer getönten Ozzy-Osbourne-Brille verborgen.
    »Ich bin beschäftigt«, sagte er.
    »Das sehen wir«, gab ich zurück und zeigte ihm meinen Dienstausweis. »Wie ist Ihr Name?«
    »Macky.« Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Ich bin beschäftigt.«
    »Womit denn?«, fragte Lesley.
    »Ich mach die Welt besser.«
    »Ein Gespenst!«, sagte Abigail ungläubig.
    »Du hast uns doch hergeschleppt«, versetzte ich.
    »Ja, aber beim ersten Mal war er dünner«, sagte sie. »Viel dünner.«
    Ich erklärte, dass er aus der Magie, die Lesley erzeugte, Kraft zog. Das führte zu der unvermeidlichen Frage.
    »Und was ist Magie?«
    »Wissen wir nicht. Es ist keine Form
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