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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Aaronovitch
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Lesley wissen.
    »Ich hab nachgeschaut. Warum ist Ihr Gesicht auseinandergefallen?«
    »Weil ich den Mund zu weit aufgerissen hab.«
    »Wie kommen wir da runter?«, unterbrach ich schnell.
    Auf dem billigen Baugrund beidseits der Bahnlinie standenSozialwohnblocks. Hinter dem Fünfziger-Jahre-Hochhaus auf der Nordseite gab es ein kleines regendurchweichtes Rasenstück mit einem Saum aus Gebüsch. Es grenzte an den Maschendrahtzaun, hinter dem die Schienen lagen. Durch das Gebüsch führte ein Tunnel in Kindergröße zu einem Loch im Zaun. Gebückt folgten wir Abigail hindurch. Lesley kicherte, als mich ein paar klatschnasse Zweige mitten ins Gesicht trafen. Sie blieb kurz hocken und untersuchte das Loch genauer. »Eine Drahtschere war da nicht am Werk. Ich würde sagen, natürlicher Verschleiß, vielleicht Füchse.«
    Den Zaun entlang zog sich ein lockerer Bodenbelag aus leeren Chipspackungen und Getränkedosen. Lesley stocherte mit dem Fuß darin herum. »Die Junkies waren noch nicht hier – ich seh keine Nadeln.« Sie blickte Abigail an. »Woher weißt du von dem Loch?«
    »Man sieht’s von der Brücke aus.«
    Mit möglichst viel Abstand zu den Gleisen gingen wir unter der Fußgängerbrücke hindurch in den Betonschlund unter dem Sportplatz. Die Wände waren bis in Kopfhöhe mit Graffiti überzogen: sorgfältig gemalte Ballonbuchstaben in ausgebleichten Primärfarben, darüber jede Menge schlampig hingekritzelte Tags, ausgeführt mit allem Möglichen, von Sprühdosen bis zu dicken Filzschreibern. Es gab auch ein paar Hakenkreuze, trotzdem glaubte ich nicht, dass es Admiral Dönitz hier gefallen hätte.
    Immerhin bot der Tunnel Schutz vor dem Nieselregen. Wegen der flachen Decke und der enormen Größe wirkte er wie eine leer stehende Lagerhalle. Es roch nach Urin, aber zu stechend für Menschen – Füchse wahrscheinlich, dachte ich.
    »Wo hast du es gesehen?«, fragte ich.
    »Ihn. In der Mitte, wo’s dunkel ist.«
    Wo sonst, dachte ich.
    Lesley wollte von Abigail wissen, was sie sich dabei gedacht hatte, überhaupt hier reinzugehen.
    »Ich hab den Hogwarts-Express gesucht.«
    Nicht den echten, wie sie sofort einräumte. Weil, den gab’s ja nur in den Büchern, stimmt’s? Aber ihre Freundin Kara, von deren Wohnung aus man die Gleise sehen konnte, hatte erzählt, dass sie dort ab und zu eine Dampflok sah, von der sie glaubte, es könne die sein, die man verwendet hatte.
    »Also, im Film«, sagte Abigail.
    »Und warum konntest du sie dir nicht einfach von der Brücke aus anschauen?«, fragte Lesley.
    »Sie fährt zu schnell. Ich muss die Räder zählen. Die im Film ist nämlich eine GWR 4900 Klasse 5972 mit 4-6-0-Konfiguration.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du eine Trainspotterin bist«, sagte ich.
    Abigail knuffte mich in den Arm. »Bin ich nicht. Die sammeln doch nur Zahlen. Ich wollte eine Theorie überprüfen.«
    »Und, hast du die Lok gesehen?«, fragte Lesley.
    »Nein. Nur den Geist. Und deshalb wollte ich, dass Peter mit herkommt.«
    Ich fragte, wo sie das Gespenst gesehen habe, und sie zeigte uns die Markierung, die sie gemacht hatte.
    »Du bist sicher, dass es genau hier aufgetaucht ist?«
    » Er «, sagte Abigail. »Ich hab schon tausendmal gesagt, dass es ein Er ist.«
    »Momentan ist er jedenfalls nicht da«, bemerkte ich.
    »Natürlich nicht«, sagte sie. »Wenn er die ganze Zeit da wäre, hätte ihn sicher schon mal jemand erwähnt.«
    Das war ein gutes Argument, und ich nahm mir vor, die Berichte im Folly durchzugehen, sobald ich zurück war. Neben der Allgemeinen Bibliothek hatte ich dort ein Magazin mit Aktenschränken voller Papiere aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Darunter waren Notizbücher mit handschriftlichen Aufzeichnungen über Geistererscheinungen – es sah fast so aus, als wäre Ghostspotting ein Lieblingshobby der heranwachsenden Zauberschüler von anno dazumal gewesen.
    »Hast du ein Foto gemacht?«, fragte Lesley.
    »Ich hatte mein Handy ja schon in der Hand, wegen dem Zug«, sagte Abigail. »Aber als mir einfiel, dass ich ein Foto machen könnte, war er schon wieder weg.«
    »Spürst du was?«, fragte Lesley mich.
    Als ich die Stelle betrat, wo das Gespenst gestanden hatte, wehte mich ein kalter Luftzug an, und durch den Mix aus Fuchsurin und nassem Beton drangen ein Hauch von Propan oder Butan, ein fieses Kichern und das tiefe Wummern eines sehr großen Dieselmotors.
    Wo Magie gewirkt wurde, hinterlässt sie Spuren. Unser Fachausdruck dafür ist Vestigia . In
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