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Sagen aus der Hanse

Sagen aus der Hanse

Titel: Sagen aus der Hanse
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Dat lütte Rümeken
    »Dat lütte Rümeken« zu Hamburg ist das Heiligengeistfeld in St. Paull bis zur Grenze von Altona. Von ihm erzählt man sich folgende Geschichte:
    Jedesmal, wenn der lebenslustige Graf Otto von Schauenburg, der zu Pinneberg residierte, auf seiner Vogtei Ottensen Recht gesprochen hatte, stärkte er sich im Hamburger Ratskeller. Einmal dehnte sich die Zecherei so lange aus, daß er die Stunde, da alle Stadttore fest verschlossen werden, verpaßte. Die Ratsherren aber wußten ihrem Ehrengast das Unglück so vergnüglich vorzustellen, daß er sich nicht weiter darum sorgte und der Einladung des Bürgermeisters, bis zum Morgen in seinem Haus Herberge zu nehmen, gern nachkam. Als nun der Graf dort angelangt, siehe da steht eine prächtige Tafel mit Speisen und herrlichsten Weinen zum Abendimbiß bereit, und die Frau Bürgermeisterin kredenzt dem hohen Gast den Goldpokal. Sie ließ es sich angelegen sein, den Grafen in fröhlicher Rede so zu vergnügen, daß er von all den guten Dingen sehr lustig wurde. Und als nun der reichliche Wein auch sein Bestes tat, da ist die schöne Bürgermeisterin mit lieblichen Worten den Grafen angegangen, daß er ihr doch das kleine Räumchen schenken möge, »dat lütte Rümeken« zwischen dem Millern-Tor und dem Bach, der zur Elbe läuft, weil die Hamburger Frauen gern im Stadtgebiet ihr Linnen bleichen wollten. Und da sie so artig bat und der Graf ein ritterlicher Herr war, der einer bittenden Frau, zumal wenn sie schön war, nichts abschlagen konnte, er auch nicht gewahr wurde, daß das gewünschte kleine Räumchen eigentlich ziemlich groß sei – so beschied er das Ansuchen günstig. Und da zufällig ein Notar anwesend war und gleich eine Abtretungsurkunde darüber abfassen konnte, unterschrieb der Graf Otto flugs und fröhlich den Brief und setzte sein Siegel dazu, worauf der Wein nach getanen Staatsgeschäften noch besser mundete, bis der Graf vom Bürgermeister und Notar, nicht ohne deren tätige Beihilfe, zu Bett geleitet wurde.
    Andern Morgens, als er heimkehrend über das abgetretene »lütte Rümeken« ritt, verwunderte er sich sehr über dessen Umfang, aber er war ein edelmütiger Herr, der fröhliche Schwänke wohl leiden konnte, darum lachte er über die List seiner Gastfreunde, die er nun wohl verstand, und ließ die Sache gut sein. Und wenn er später, wie noch oft geschah, nach Hamburg zu Weine und Biere ritt, so nahm er sich besser in acht und verpaßte niemals wieder die Stunde des Torschlusses. Und hat der schönen Bürgermeisterin lächelnd gesagt: um das ganze Hamburger Linnenzeug zu bleichen, möchte sie wohl seine ganze Herrschaft Pinneberg für ein – lüttes Rümeken ansehen und ihm fördersamst abschwätzen.

Der Graf, der nicht verwesen durfte
    Einst lebte in Lübeck ein reicher und mächtiger Graf, der sich aber durch sein schlechtes Betragen den Fluch seiner sterbenden Eltern zugezogen hatte. Aber das wußten nur die wenigsten, und er selbst suchte sein Gewissen in rauschenden Festen zu betäuben. Allein kaum ein Jahr nach dem Tode seiner Eltern starb auch er und wurde in der Katharinenkirche beigesetzt.
    Fünfzig Jahre später öffnete man zufällig seinen Sarg und fand seinen Leichnam unverwest. Das Gerücht von dieser seltsamen Begebenheit drang weit in die Ferne, und kein Fremder verließ Lübeck, bevor er nicht den unverwesten Grafen gesehen hatte.
    Nun saßen einmal in einem Wirtshaus bei der Katharinenkirche lustige Zechbrüder beisammen und prahlten mit ihrem Mut und ihrer Unerschrockenheit. In das Gespräch mischte sich auch die Schenkmamsell, und indem sie alle zu übertrumpfen suchte, vermaß sie sich, den Körper des Grafen aus der Kirche zu holen. Die Wette wurde gemacht, das Mädchen verschaffte sich den Eingang zur Totenkapelle und kam bald mit ihrer unheimlichen Last zurück. »Da habt ihr den Grafen«, rief sie lachend, »zurückbringen könnt ihr ihn selbst! Die Wette habe ich gewonnen!« Die Gesellen aber zitterten wie Espenlaub, und keiner wollte sich der unangenehmen Aufgabe unterziehen. Da baten sie das Mädchen, ihnen das Geschäft abzunehmen, und gegen ein gutes Stück Geld zeigte sie sich auch willig und trug den Grafen zurück.
    Aber kaum hatte sie ihn in seinen Sarg gebettet, als der Tote sich aufrichtete und sie anredete: »Jetzt habe ich dir einen Gefallen getan, nun tue du mir wieder einen als Gegendienst! « Zu Tode erschrocken, nickte die Dirne. »Geh hinter den Altar«, fuhr der Tote fort, »und bitte
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