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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Aaronovitch
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schaltete ich mein viertes rigoros aus, wenn ich mich im Folly aufhielt. Das bedeutete aber, dass es im Falle eines Falles Molly war, die unten das Telefon abnahm und mich sodann informierte, indem sie so lange stumm in meinem Türrahmen herumstand, bis ich aus schierem kaltem Grauen aufwachte. Ein Schild »Bitte anklopfen« zeigte ebenso wenig Wirkung wie die Taktik, meine Tür fest abzuschließen und einen Stuhl unter die Klinke zu klemmen. Und ich schwärme für Mollys Kochkunst, aber einmal hätte sie beinahe mich aufgefressen. Deshalb war der Gedanke, dass sie ungeladen in mein Zimmer diffundieren könnte, während ich selig schlummerte, sehr kontraproduktiv für ebendiesen Schlummer. Aus diesem Grund verlegte ich mit Hilfe eines Kurators vom Technikmuseum in einigen Tagen Schufterei ein Koaxialkabel bis hinauf in mein Zimmer.
    Wenn die allgewaltige Metropolitan Police meiner speziellen Dienste bedarf, schickt sie nun also ein Signal durch eine verdrillte Kupferleitung an ein Bakelittelephon mit einer elektrischen Glocke, das fünf Jahre vor meinem Dad das Licht der Welt erblickte. Es ist ein bisschen so, als würde man von einem ungewöhnlich musikalischen Presslufthammer geweckt, aber immer noch besser als die Alternative. Lesley nennt es das Batphone.
    Es weckte mich kurz nach drei Uhr morgens.
    »Aufstehen, Peter«, sagte Detective Inspector Stephanopoulos. »Wird Zeit, dass Sie mal wieder ein bisschen ordentliche Polizeiarbeit leisten.«

Montag

2
Baker Street
    Was ich wirklich vermisse, sind Kollegen. Verstehen Sie mich nicht falsch, durch meine Stelle im Folly habe ich mindestens zwei Jahre Vorsprung in meiner Ausbildung zum Detective Constable gewonnen, aber da meine Einheit derzeit aus mir, Detective Chief Inspector Nightingale und vielleicht demnächst PC Lesley May besteht, kann ich nicht gerade behaupten, in der Masse unterzugehen. Das sind so Dinge, die man erst dann vermisst, wenn man sie nicht mehr hat – den Geruch der nassen Regenumhänge in der Umkleide, den Ansturm auf die Computer im Internetraum der Constables, wenn freitagmorgens die neuen Jobs ins System gestellt werden, die blöden Witze und das kollektive Gähnen bei der Einsatzbesprechung um sechs Uhr morgens. Dieses Gefühl, dass es viele um dich herum gibt, deren Dasein sich um ungefähr dieselben Dinge dreht wie dein eigenes.
    Deshalb war es ein bisschen wie nach Hause zu kommen, als ich das Meer von Blaulichtern vor der U-Bahn-Station Baker Street erblickte. Hinter ihnen ragte als gestrenger Wächter die drei Meter hohe Statue von Sherlock Holmes empor, voll ausgerüstet mit Deerstalker-Kappe und Haschpfeife, der ein Auge darauf haben würde, dass unsere Arbeitauch den höchsten fiktionalen Ansprüchen genüge. Das Metallgitter vor dem U-Bahn-Eingang stand offen, und dahinter hatten sich ein paar PCs von der British Transport Police verschanzt, als hätten sie hier Zuflucht vor Holmes’ unerbittlichem Blick gesucht, aber wahrscheinlich war es eher die Kälte. Nach einem flüchtigen Blick auf meinen Dienstausweis winkten sie mich durch, in der berechtigten Annahme, dass nur ein Polizist so blöd sein konnte, sich in dieser Herrgottsfrühe draußen herumzutreiben.
    Ich stieg die Treppe ins Zwischengeschoss mit den Fahrkartenschaltern hinunter. Die automatischen Barrieren standen alle feuerschutzgemäß offen. Ein paar Typen in Signalwesten und schweren Stiefeln standen herum, tranken Kaffee, unterhielten sich und daddelten auf ihren Handys herum. Die routinemäßigen Reparaturarbeiten fanden heute Nacht definitiv nicht statt – wir bitten die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.
    Die Station Baker Street war 1863 eröffnet worden, aber ausgestattet ist sie mit cremefarbenen Kacheln, Holzverkleidungen und schmiedeeisernen Verzierungen aus den zwanziger Jahren, überwuchert von neuerem Unkraut aus Leitungen, Kabelkästen, Lautsprechern und Überwachungskameras.
    Bei einem Kapitalverbrechen ist es selbst an einem so unübersichtlichen Tatort wie einer U-Bahn-Station nicht schwer, die Opfer zu finden. Man hält einfach Ausschau nach der größten Konzentration von Plastik-Schutzoveralls und begibt sich direkt dorthin. Hier war es das ferne Ende von Plattform 3, das aussah, als fände dort eine Milzbrandepidemie statt. Also definitiv Fremdverschulden – so viel Zuwendung bekommt kein Selbstmörder und auch nichtdie fünf bis zehn Leute, die es jährlich fertigbringen, sich aus Versehen von einer U-Bahn überfahren zu
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