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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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Nein, Gerd, das bin ich nicht.“
    „Nicht? Nun gut.“
    Die andere stand einige Schritte entfernt und sah unentschlossen herüber. Plötzlich warf sie den Kopf zurück und trat auf Gerd und Trygve zu.
    „Nun, Liebling? Eine geschäftliche Besprechung so früh am Morgen? Störe ich etwa?“
    Gerd drehte sich zu ihr herum. Sie fühlte weder Haß noch Wut gegen diese Frau. Es war ein hübsches, fesches dänisches Mädchen, schick gekleidet, mit einem gepflegten, hübschen kleinen Gesicht.
    „Nein“, erwiderte Gerd, „ich muß wegen der Störung um Verzeihung bitten.“
    „Aber meine Liebe…“
    „Doch. Ich werde Ihren Gatten nicht länger aufhalten, Frau Brink Larsen.“
    „Aber meine Beste, sprechen Sie doch weiter, bis Sie fertig sind.“
    „Wir sind fertig. Ganz fertig.“
    Gerd wandte sich ab. Ihre Augen fanden mechanisch die Ausgangstür. Sie schritt auf sie zu und hindurch, und sie tat es korrekt und vernünftig, ohne zu schwanken, ging zu einem Taxi und hörte sich sagen:
    „Zum Flughafen.“
    Um die Mittagszeit war sie daheim bei Mammi.
    Gerd öffnete die Augen. Es stand jemand vor ihr. Die Stewardeß, in jeder Hand ein Tablett mit Kaffee, lächelte:
    „Verzeihen Sie. Habe ich Sie geweckt?“
    Gerd nahm das Tablett entgegen.
    „Ach nein, ich döste bloß ein bißchen mit geschlossenen Augen. Tausend Dank, das wird wunderbar schmecken.“
    Es schmeckte wirklich wunderbar. In diesem Augenblick fiel Gerd ein, daß sie nicht zu Mittag gegessen hatte. Es war aber eine derartige Hetze gewesen zwischen Büro, Wohnung, der Bank und dem Krankenhaus, daß sie für etwas so Nebensächliches wie Essen keinen Gedanken gehabt hatte.
    Die delikaten belegten Brötchen waren schnell verzehrt. Gerd richtete sich auf und hielt Umschau. Unter ihr lag eine Schneelandschaft von Wolken, über ihr strahlte die Sonne aus einem klaren blauen Himmel.
    Der Mann auf der anderen Seite des Ganges drehte den Kopf und sah sie an. Er lächelte. Die Sonne glitzerte im Haar des jungen Mädchens.
    Sie wandte sich ihm zu, und ihre Blicke trafen sich erneut.
    Der Mann ergriff seine Kaffeetasse, und seine Hand suchte auf der Untertasse nach dem Zucker. Es war keiner da. Er hatte ihn bereits für die erste Tasse verbraucht.
    Ein kleines Päckchen mit zwei Stücken wurde ihm über den Gang hinübergereicht.
    „Bitte.“ Er vertauschte seinen Fensterplatz mit einem Sitz in der Nähe von Gerds Platz.
    „Vielen Dank. Können Sie denn den Zucker entbehren?“
    „Ich nehme keinen Zucker.“
    „Und ich nehme so eine Menge!“ Er sah beinahe schuldbewußt aus.
    Er rührte den Zucker im Kaffee um und lächelte Gerd wieder zu.
    „Sehen Sie nur, wie schön die Sonne scheint.“
    „Ja. Es fragt sich nur, wie es unterhalb dieser Milchsuppe aussieht.“ Gerd deutete auf die dichte wollige Wölkendecke.
    „Na wennschon. Vorläufig haben wir es hier oben fein. Wie heißt es doch: ,Über den Wolken ist der Himmel immer blau?’ Das können wir nun feststellen.“
    „Ja, es ist gut, den sichtbaren Beweis dafür zu erleben.“ – Gerd war sich nicht bewußt, daß in ihrer Stimme ein kleiner bitterer Unterton mitschwang. Es waren die Erinnerungen, die bösen Erinnerungen, die sie noch nicht losließen.
    „Ja? Brauchen Sie Beweise dafür? Um von einem aufs andere zu kommen: Mögen Sie Hefegebäck?“
    „Was für eine Frage! Klar tu’ ich das.“
    „Also nehmen Sie bitte meines. Ich bin übersatt.“
    „Und ich immer noch hungrig. Vielen Dank.“
    Gerd hatte im Nu ihre Portion verspeist, die zwei belegten Brötchen und das Stück Gebäck. Das zweite war nun sehr willkommen.
    „Ich kam nämlich nicht dazu, Mittag zu essen“, erklärte sie entschuldigend. „Ich mußte mich in so großer Eile fertigmachen.“
    „Ach so. Wollen Sie nach Kopenhagen?“
    „Noch weiter. Nach Hamburg.“
    „Da haben Sie noch eine dreiviertel Stunde Aufenthalt in Kopenhagen. In der Zeit können Sie eine ganze Menge vertilgen. Es gibt ein sehr gutes Essen dort im Flughafenrestaurant.“
    „Daran zweifle ich nicht.“
    „Waren Sie nie zuvor dort?“
    „In Kastrup? Doch, aber nicht im Restaurant.“
    „Wenn Sie einen ortskundigen Führer brauchen sollten…“
    Gerd lachte.
    „Wir wollen sehen. Hoppla! Jetzt müssen wir uns festschnallen.“
    Das Flugzeug tauchte in das Nebelmeer hinab, kam durch den Wolkengürtel und rollte dann vor dem Flughafengebäude in Aalborg glatt und elegant aus. Es war kühles, feuchtes Wetter, und die Wolken hingen wie ein Trauertuch
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