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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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entgegengehalten.
    „Tausend Dank!“
    Wieder ein Lächeln. Jetzt, da das fremde Gesicht so nahe war, bemerkte Gerd, daß seine Augen außergewöhnlich blau, fast aufdringlich blau waren.
    Mit halbgeschlossenen Augen lehnte sie sich zurück. Draußen war wenig oder nichts zu sehen. Die Wolkendecke, die sie durchflogen, hing tief.
    Gerd hatte vergessen, sich etwas Lektüre mitzunehmen. Die Stewardeß brachte Zeitungen und Illustrierte. Gerd nahm eine Tageszeitung, aber sie blieb ungelesen in ihrem Schoß liegen. Unablässig beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem, woran sie lieber nicht denken wollte, was aber plötzlich so nahe und lebendig wurde in dieser Umgebung:
    Ihre letzte Flugreise hatte sie auch nach Kopenhagen geführt.
    Das war jetzt über zwei Jahre her.
    Sie hatte daheim bei Mammi gesessen. Servietten gezeichnet und Handtücher gesäumt. Ein goldener Ring steckte an ihrem linken Ringfinger, und sie war so glücklich gewesen, so überglücklich!
    Jeden Abend kam Trygve. Manchmal gingen sie zusammen aus oder blieben auch zu Hause. Trygve plauderte, machte Pläne und bewunderte die Aussteuer, die unter Gerds fleißigen Händen wuchs. Fast immer brachte er etwas für sie mit, ja, und auch für Mammi: Schokolade, Blumen, ein neues Buch. Niemand konnte so lächeln und munter sein wie Trygve. Niemand war so sprühend schlagfertig, und niemand strahlte so einen Optimismus aus wie er.
    Dann fuhr Trygve auf eine Geschäftsreise nach Kopenhagen. Jeden Tag kam ein Brief an Gerd, ein Brief voller Sehnsucht und Liebe.
    „Trygve ist wirklich einmalig“ sagte Mammi. „So viele Briefe habe ich in meiner Verlobungszeit nicht bekommen.“
    „Du weißt ja, wie leicht Trygve das Schreiben fällt“, erklärte Gerd.
    In ihrem Ton lag eine Verteidigung des Vaters, der nicht so häufig geschrieben hatte.
    Mammi hatte gelacht.
    „Glaube nur nicht, daß ich mich beklage, Liebes. Vater hielt nichts von vielen Worten, weder von gesprochenen noch geschriebenen. Seine Taten sprachen für ihn.“
    Ja, das wußte Gerd. Sie wußte, wie der Vater geschuftet hatte, um Frau und Kindern eine gute und sichere Existenz zu schaffen. Nein, er war kein Mann von vielen Worten. Als er starb und Gerd fünfzehn, Solveig siebzehn Jahre alt war, da zeigte es sich, daß Ihre Zukunft gesichert war.
    Vater hatte eine Versicherung für ihre Ausbildung abgeschlossen sowie eine erhebliche Lebensversicherung, die Mammi ausbezahlt bekam. Vaters Vorsorge ermöglichte es, daß Solveig in Drontheim Architektur studieren und Gerd sowohl das Gymnasium als auch die Handelsschule besuchen konnte, und es reichte auch für den Aufenthalt in England und Deutschland.
    Der gute, vorsorgliche Vater! So schweigsam, so bescheiden und so erfüllt von Liebe für Frau und Kinder.
    Gerds Gedanken waren dieselben Wege gegangen wie die ihrer Mutter. Diese nickte, wie um das Gespräch abzuschließen.
    „Ja, Gerd, ihr hattet einen guten Vater.“
    Aber Trygve war so strahlend, so lebhaft, und seine Briefe waren so wundervoll…
    Gerds Gesicht überflog ein Schatten, als sie so in dem bequemen Sessel des Flugzeuges lehnte. Die Erinnerungen an jenen Abend stürmten auf sie ein.
    Ach, diese Briefe von Trygve! Die wärmsten, liebevollsten Briefe, die sie je bekommen hatte!
     
    „Ich sehne mich so unsagbar nach Dir, kleine Miez, mein Häschen, mein eigenes kleines Mädel. Ich habe tatsächlich keine Lust, in dieser schönen Stadt irgendwohin zu gehen. Ich lasse Tivoli liegen, wo es liegt, und die Theater stehen, wo sie stehen. Es ist gerade so, als müsse ich alles aufsparen, bis ich es gemeinsam mit Dir erlebe. Mein kleiner Schatz, meine Gedanken sind ständig bei Dir, die Zeit schleicht im Schneckentempo dahin. Ich zähle die Tage, ich zähle die Stunden, und es scheint mir eine Ewigkeit bis zu unserem Wiedersehen. Leider werde ich mit meinen blöden Besprechungen nicht vor Mitte nächster Woche fertig. Die Vormittage gehen ja noch, da habe ich genug zu tun, aber die Abende sind lang, und mir graut vor dem Sonntag. Denk mal, wie gut Du und Ich einen langen, herrlichen Sonntag in Kopenhagen ausnützen könnten…“
     
    Da kam Gerd eine Idee: Hatte Sie nicht gerade eine Anzeige gelesen, die billige Hin- und Rückflüge nach Kopenhagen anbot? Hielt man sich nicht länger als siebzehn Tage im Ausland auf, konnte man die Fahrkarte zu einem ermäßigten Preis bekommen, erheblich ermäßigt sogar.
    Mammi hatte gelächelt.
    „Du bist ein leichtsinniges Ding , Gerd. Aber es ist ja
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