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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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kann wohl das kleine Intelli-Genzchen einen Bescheid entgegennehmen.“
    Gerd lächelte. Nach den ersten Schnitzern des Fräulein Genz hatte der Direktor sie auf den Namen Intelli-Genzchen getauft, aber das war ein Geheimnis zwischen ihm und Gerd.
    „Auf Wiedersehen, Herr Direktor. Nach Unterzeichnung telegrafiere ich sofort.“
    „Zuvor bringen Sie aber möglichst viel ins reine betreffs Lieferzeit und Lieferart. Sie sind ja über die Sache wie die Transportmöglichkeiten informiert, und…“
    „Gewiß. Wir haben ja Erfahrungen, auf die wir zurückgreifen können.“
    „Sie sind ein tüchtiges Mädel. Wenn Sie das gut hinkriegen, sollen Sie wahrhaftig Gehaltszulage bekommen. Lieber Himmel, ja, was hätte ich wohl ohne Sie getan!“

2
     
     
    Gerd saß in einem Taxi, das sie nach Kristiansand brachte. Zur Seite ihren Koffer, den sie in aller Hast gepackt hatte, und auf dem Schoß die kostbare Aktentasche. Die wollte sie nicht aus der Hand geben, nicht einen einzigen Augenblick. Sie enthielt nämlich den Vertrag, unterzeichnet mit „K. Myrseth“ in des Direktors kräftiger Steilschrift und mit Platz für den so unendlich wichtigen Namen, der morgen darauf gesetzt werden sollte. Sie dachte daran, daß für diesen Namenszug 1400 Kronen für eine Flugreise aufgewandt werden mußten. Bloß für diese sieben Buchstaben F. J. Busch, zweihundert Kronen für jeden Buchstaben!
    In der Mappe lag außerdem noch das Telegramm, das nach einer guten Stunde eingetroffen war: „Erwarte Ihren Bevollmächtigten morgen um neun Uhr. Busch.“
    Ihren „Bevollmächtigten“!
    Gerd fühlte sich unwillkürlich von Stolz erfüllt. Vor zwei Jahren war sie als Kontoristin eingestellt und wurde drei Monate später schon zur Sekretärin befördert. Jetzt war sie gleichzeitig Sekretärin und Auslandskorrespondentin. Und wenn sie heimkam, erwartete sie eine Gehaltsaufbesserung!
    Aber Gerd war nicht ohne ihr Zutun zu ihren Erfolgen gekommen. Sie war fleißig wie eine Biene gewesen. Sie hatte sich angestrengt, zielbewußt und zäh, zuerst im Gymnasium, dann auf der Handelsschule. Und sie hatte das ganze Jahr über gespart, um im Sommer ins Ausland reisen zu können. Sie wollte die erlernten Sprachen hören, mit den Landesbewohnern sprechen, wollte mehr lernen als nur die trockene Handelskorrespondenz.
    Und sie hatte gelernt. Sie hielt Augen und Ohren offen, war jung und aufnahmefähig. Was sie lernte, blieb auch sitzen.
    Und dann kam – ja, dann kam die Zeit, an die sie am liebsten nicht denken wollte, die herrliche Zeit in Oslo. Diese herrliche Zeit, die ein so schreckliches Ende nahm…
    Damals trat sie bei Myrseth und Sohn ein. In einer Panikstimmung hatte sie eine Stellung gesucht, bloß um von Oslo wegzukommen. Es bedeutete in all ihrer Verzweiflung eine gewisse Erleichterung, als sie ihre Sachen packen, in die kleine Küstenstadt fahren und ihr Dasein neu aufbauen konnte. Aufbauen auf den Ruinen.
    Die ersten Häuser von Kristiansand tauchten auf. Bald hatte sie die Stadt hinter sich, und das Taxi hielt vor der Rückseite des niedrigen weißen Holzgebäudes am Flughafen.
    Wenig später hatte sie Zoll und Paßkontrolle erledigt, und es wurde gemeldet, daß das Flugzeug aus Stavanger gleich landen würde.
    Jetzt wurde es Ernst. Vor zehn Stunden, als sie heute morgen erwachte, hatte sie keine Ahnung, daß dieser Tag ihr etwas Außergewöhnliches bringen würde, und nun stand sie hier, sozusagen schon mit einem Bein im Ausland.
    Wenige Minuten später saß Gerd im Flugzeug, und die Leuchtschrift „Nicht rauchen“ und „Bitte festschnallen“ flammte auf.
    Es gab nicht viele Fluggäste. Der Sitz neben ihr war leer; auf der anderen Seite des Ganges saß ein Mann und las Zeitung. Hinter ihr fummelte jemand mit dem Sicherheitsgurt. Vor ihr hatte eine Mutter Platz gefunden, die sich anstrengte, die wißbegierigen Fragen eines jungen Mannes von sechs Jahren zu beantworten.
    Dann rollte das Flugzeug über die Startbahn und löste sich nach einigen Sekunden vom Boden.
    „Jetzt fliegen wir, Mutti!“
    Die schrille Kinderstimme durchdrang den Düsenlärm. Gerd wandte lächelnd den Kopf. Dasselbe tat der Mann auf der anderen Seite des Ganges. Blicke und Lächeln begegneten einander, worauf der Mann wieder hinter seiner Zeitung verschwand.
    Die Leuchtbuchstaben „Nicht rauchen“ erloschen, und Gerd holte eine Zigarette hervor, suchte nach Streichhölzern. Herrje, wo hatte sie die denn nur…?
    Ein Feuerzeug wurde ihr
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