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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman
Autoren: Simon Lelic
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Ihre Kollegen waren so gegen zehn da. Einer von ihnen hieß Price. Den Namen des anderen habe ich nicht verstanden. Da haben sie dem Direktor davon erzählt. Da haben wir es erfahren, er und ich. Das war nach dieser Sache mit Samuel, aber vor der Schulratskonferenz, obwohl die ja dann verschoben werden musste.
    Der Direktor und ich waren in meinem Büro. Wie gesagt, die Polizei war gerade weg. Uns saß wohl beiden noch der Schreck in den Gliedern, der Direktor war jedenfalls kreidebleich. Was für ein schrecklicher Vorfall, habe ich zu ihm gesagt. Denn das war es ja wirklich. Schrecklich, einfach nur schrecklich. Und der Direktor hat nichts gesagt, nur genickt, und wir haben beide auf den Boden geschaut.
    Janet, hat er dann gesagt, haben Sie noch etwas von Samuel gehört?
    Nein, Herr Direktor, nichts, hab ich geantwortet. Seit heute Morgen nichts mehr.
    Und da hat er mich angeschaut. Seit heute Morgen?, hat er gefragt. Soll das heißen, Sie haben alles mitgehört? Plötzlich hat er mich angeguckt, als hätte ich irgendetwas Schlimmes getan, aber ich kann ja nichts dafür, dass ich hier alles mithöre, nicht wahr? Ich stand da und wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte, und ich hab gesagt: Nein, na ja, doch, die Wände sind nun mal ziemlich dünn. Und dann hat er ein wenig die Stirn gerunzelt. Was haben Sie gehört? Und was halten Sie davon?, hat er gefragt.
    Was ich davon halte, Herr Direktor? Was soll ich denn davon halten?, habe ich geantwortet. Typisch Samuel, würde ich sagen. Typisch Samuel.
    Und der Direktor sagte: Ja, allerdings. Trotzdem. Und dann hat er eine Weile nachgedacht. Janet. Tun Sie mir einen Gefallen,
     ja?
    Aber natürlich, Herr Direktor. Worum geht es denn?
    Schicken Sie Samuel nach Hause, sagte er.
    Nach Hause, Herr Direktor?, habe ich gefragt, und er sagte: Ja, nach Hause. Lassen Sie mal sehen. Gleich fängt die Mittagspause an. Er müsste im neuen Flügel sein, Raum drei oder vier. Sehen Sie zu, dass Sie ihn dort erwischen, und schicken Sie ihn nach Hause. Sagen Sie ihm, er soll mal ausspannen. Die Polizei kommt heute Nachmittag noch einmal, um die Sache mit Samson zu untersuchen. Sie wollen mit den Kindern reden und auch mit den Lehrern. Ich glaube, das ist nichts für Samuel. Nicht in seiner derzeitigen Verfassung.
    Ja, Herr Direktor, habe ich geantwortet, da haben Sie wohl recht.
    Gut, hat er gesagt. Gut. Ach ja, und Janet.
    Ja, Herr Direktor?
    Was haben Sie den Herren vom Schulbeirat gesagt? Haben Sie einen neuen Termin festgesetzt?
    Ich habe gesagt, es sei etwas Dringendes dazwischengekommen und ich würde mit Ihnen reden.
    Schauen Sie, ob Sie das Treffen für morgen Vormittag anberaumen können. Richten Sie den Herren aus, dass ich um Entschuldigung bitte, und sagen Sie ihnen, was passiert ist, aber machen Sie deutlich, dass der Vorfall außerhalb des Schulgeländes stattgefunden hat. Ich möchte nicht, dass die Herren sich Sorgen machen. Ich möchte sie keinesfalls beunruhigen.
    Ja, Herr Direktor. Ich kümmere mich sofort darum, Herr Direktor.
    Aber zuerst kümmern Sie sich um Samuel, hat er gesagt.
    Natürlich, habe ich geantwortet. Zuerst kümmere ich mich um Samuel.
    Noch etwas. Wir sollten eine Versammlung einberufen. Am besten für Mittwoch. Gleich morgens. Es gilt Anwesenheitspflicht für alle Schüler. Und auch für das gesamte Kollegium. Keine Ausnahmen, Janet.
    Und ich habe gesagt: Ja, Herr Direktor. Sonst noch etwas, Herr Direktor?
    Aber weiter war nichts, also bin ich los und hab Samuel gesucht. Er war in Raum drei, genau wie der Direktor gesagt hatte. Ich hätte ihn allerdings auch so gefunden, in der Klasse ging es drunter und drüber. Der neue Flügel – wir nennen ihn den neuen Flügel, aber so neu ist er gar nicht mehr, er muss schon so zehn Jahre alt sein – der neue Flügel liegt ganz hinten am Nordende, aber ich hörte Samuels Klasse schon vom Speisesaal aus. Er unterrichtete gerade die Siebte. Was heißt, unterrichtete – als ich durch die Scheibe zur Tür hineingeschaut habe, tat er praktisch gar nichts. Er saß an seinem Pult, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und hielt sich mit einer Hand die Stirn. Und die Kinder, die schienen einfach zu machen, was sie wollten: Die meisten schwatzten einfach nur, ein oder zwei rannten auch umher, und ein Mädchen stand sogar auf einem Stuhl am Fenster, es fehlte nicht viel und sie wäre rausgefallen. Ich hätte vielleicht einfach reingehen sollen, aber ich habe draußen gewartet bis zum Klingeln.
    Es
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