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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman
Autoren: Simon Lelic
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strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und atmete tief durch.
    »Herein«, rief es von drin.
    Lucia warf noch einen kurzen Blick zu Harry, dann drückte sie die Türklinke und trat ein.
    »Lucia«, sagte Cole. Er stand hinter seinem Schreibtisch, den Oberkörper vorgebeugt und das Gewicht auf den aufgestützten Handballen. Und er lächelte. Damit hatte sie nicht gerechnet.
    »Chief«, sagte Lucia und schloss die Tür hinter sich.
    »Kommen Sie. Nehmen Sie Platz. Kaffee? Nein, sicher nicht. Bei dieser Hitze. Wasser?«
    »Nein danke«, sagte Lucia und setzte sich auf den Stuhl, auf den ihr Chef gewiesen hatte. Cole ihr gegenüber nahm ebenfalls Platz. Er lächelte immer noch.
    »Das hier ist keine dienstliche Unterredung«, begann er. »Keine offizielle.«
    »Nein. Das ist mir schon klar. Aber bevor Sie irgendetwas sagen …«
    Cole hob die Hand. »Ich brauche Hilfe, Lucia. Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Chief …«
    »Bitte, Lucia. Geben Sie mir einen Augenblick.«
    Lucia sagte nichts mehr. Cole lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er führte die Hand zur Oberlippe, aber als er sah, dass Lucia ihn beobachtete, hielt er abrupt inne.
    »Das mit der Zahnpasta hat übrigens nicht funktioniert«, sagte er. »Es hat höllisch gebrannt, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen.«
    Lucia rutschte auf ihrem Stuhl herum, und das starre Plastik kratzte sie in den Kniekehlen. Ihr restlicher Körper fühlte sich klebrig an, lechzte nach Luft. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Ich hatte das bloß mal gelesen. Ich hätte es nicht erwähnen sollen.«
    Cole winkte ab. Er beugte sich vor, verschränkte die Arme und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch.
    »Mr. Travis, der Direktor. Er hat einen Brief bekommen«, sagte er.
    So weit hatte Lucia dieses Gespräch nicht kommen lassen wollen. Jetzt, da es zu spät war, war sie gespannt, wohin es führen würde. »Ja«, erwiderte sie. »Ich weiß.«
    »Dann wissen Sie vermutlich auch, was in dem Brief stand?«
    Lucia sah Cole in die Augen. Sie nickte.
    Der Chief Inspector musterte ihr Gesicht und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Hinter einer vorgewölbten Wange beschäftigte sich seine Zunge mit irgendetwas, das zwischen seinen Zähnen hing.
    »Jetzt haben wir ein Problem«, sagte er. »Das verstehen Sie doch sicher, oder?«
    »Ich würde sagen, Mr. Travis hat ein Problem, Chief Inspector. Meinen Sie nicht auch?«
    Cole nickte kurz. »Sicher. Sicher hat Mr. Travis ein Problem. Aber ich hoffe, Sie und ich finden vielleicht eine Lösung, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen.«
    »Verstehe«, sagte Lucia. »Deshalb bin ich also hier. Sie glauben, ich bin deshalb hier.«
    Cole antwortete nicht. Stattdessen zog er die Mundwinkel wieder hoch, als wäre ihm plötzlich eingefallen, dass er das Lächeln vergessen hatte. Er stand auf und ging zum Wasserspender. »Möchten Sie wirklich nichts?«, fragte er. Als Lucia nicht antwortete, zapfte er sich einen Becher und nahm seine Position hinter dem Schreibtisch wieder ein, ohne sich jedoch zu setzen.
    »Eine Klage«, sagte er. »Ein Zivilprozess. Vielleicht erklären Sie mir mal, Lucia, was genau Sie damit erreichen wollen.«
    »Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse, Chief Inspector. Das ist schließlich nicht meine Angelegenheit.«
    Cole lachte. Er lachte und verriet zum ersten Mal seine Ungeduld. »Ich dachte, wir reden jetzt offen miteinander, Detective. Sie nicht?«
    Lucia stand auf und wollte gehen. »Ich weiß nicht, ob dieses Gespräch zu irgendetwas führt, Chief. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …«
    »Setzen Sie sich, Detective«, sagte Cole.
    Lucia blieb stehen.
    »Bitte«, fügte Cole hinzu. »Setzen Sie sich, Lucia.«
    Lucia nahm wieder Platz und verschränkte die Arme.
    »Soweit ich weiß, sind die Samsons wütend. Mir scheint, das ist die einzige Art und Weise, wie sie ihren Groll rauslassen können.«
    »Nein«, sagte Lucia. »Das ist nicht …«
    Cole fiel ihr ins Wort. »Sie lassen ihren Groll an der Schule aus, und am Direktor. Warten Sie, Lucia. Nur noch einen Augenblick.« Wieder lächelte er, aber sein Lächeln erreichte nicht die Augen. »Das ist verständlich. Aber natürlich ist das verständlich. Sie haben ihren Sohn verloren. Elliot, nicht wahr? So hieß er doch. Sie haben ihren Sohn verloren, und niemand wurde dafür bestraft. Sie haben allen Grund, wütend zu sein.«
    »Ja, sie sind wütend«, sagte Lucia, die jetzt Mühe hatte, ihre Stimme im Zaum zu halten. »Zornig sind sie. Und da
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