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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan
Autoren: Jeffrey Deaver
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ein paar Regierungsbeamte niemanden, den man hätte anrufen können. Die Kanzlei war außerdem mit einer Schreibmaschine ausgestattet, aber man erledigte den überwiegenden Teil der Geschäftspost immer noch mit Stahlfeder und Tintenfass. Hubbard und White legten großen Wert darauf, dass ihr Sekretär die Streusanddosen zum Tintenlöschen nur mit dem schwarzen Sand vom Champlain-See füllte.
    In den Vorlesungen hatten beide Männer davon geträumt, bewährte Prozessanwälte zu werden, und während ihrer Wochen und Monate der Knechtschaft bei Carter, Hughes & Cravath hatten sie tatsächlich viele Stunden in den verschiedenen Gerichtssälen mit der Beobachtung verbracht, wie bekanntere Prozessanwälte schmeichelten, plädierten, Winkelzüge machten und Zeugen wie Jurymitglieder gleichermaßen verschreckten.
    Aber was sie selbst betraf, mussten sie bald feststellen, dass es auch nötig war, sich mit anderem abzugeben, um Geld in die Kasse zu bekommen, und so wurde das lukrative Feld des Handels- und Gesellschafts- beziehungsweise Körperschaftsrechts bald zur Haupteinnahmequelle ihrer noch jungen Kanzlei. Für jede Arbeitsstunde stellten sie ihren Klienten zweiundfünfzig Cent in Rechnung, gewährten aber für gewisse Treuhandtätigkeiten willkürliche und großzügige Bonusse. Es waren eben noch die guten alten Zeiten vor Einführung der Einkommenssteuer, der Antitrustgesetze oder des Kartellamts. Handelsgesellschaften aller Arten rasten damals wie eine Hunnenhorde über die Landschaft des amerikanischen freien Unternehmertums. Hubbard und White waren der Generalstab dieser Armeen, und in dem Maße, in dem ihre Klienten ungeheuren Reichtum erwarben, gelangten auch sie zu Wohlstand. Ein dritter Seniorpartner, Colonel Benjamin Willis, trat 1920 in die Kanzlei ein. Er starb einige Jahre später an einer Lungenentzündung, die auf einen Senfgasangriff im Ersten Weltkrieg zurückzuführen war. Als sein Vermächtnis hinterließ er der Kanzlei als Klienten eine Eisenbahnlinie, eine Bank und einige andere größere Versorgungsbetriebe. Hubbard und Willis erbten auch die Frage, was sie mit seinem Namen tun sollten. Dessen Nennung im Firmentitel war der Preis gewesen, den sie sowohl für den Eintritt des Colonels in die Kanzlei als auch für die betuchten Klienten, die er mitbrachte, hatten bezahlen müssen. Sie hatten das damals per Handschlag besiegelt und nichts schriftlich fixiert. Doch nach seinem Tod hielten die beiden ihr Wort.
    Die Anwaltskanzlei war seitdem als Triumvirat bekannt und würde es immer bleiben. Als gegen Ende der Zwanzigerjahre die Ära der Glühstrumpflampen ihrem Ende zuging, war die Sozietät Hubbard, White & Willis auf achtunddreißig Anwälte gewachsen. Der lang ersehnte Wunsch der Gründer hatte sich erfüllt, und man war ins Equitable Building umgezogen. Bankgeschäfte, Kreditsicherheiten und Zivilprozesse bildeten den Schwerpunkt der Kanzleitätigkeiten, und die Arbeit wurde auch weiterhin so wie im 19. Jahrhundert angegangen – das heißt, von Gentlemen, und zwar nur von denen einer bestimmten Art. Anwälte, die zu einem Einstellungsgespräch kamen und aussahen wie Juden, Italiener oder Iren oder es sogar waren, wurden zwar freundlich empfangen, und man hörte sie auch mit Interesse an, aber in die Firma aufgenommen wurden sie nie.
    Weibliche Arbeitskräfte wurden gerne eingestellt; gute Stenografinnen fand man schließlich nicht wie Sand am Meer.
    Die Kanzlei wurde immer größer, und aus ihr erwuchsen gelegentlich Filialbetriebe oder politische Karrieren. Es verwundert sicher nicht zu erfahren, dass ausschließlich Mitglieder der republikanischen Partei gefördert wurden. Hubbard, White & Willis brachte einige Generalbundesanwälte hervor, des Weiteren einen Comissioner der Börsen- und Bankenaufsicht, einen Senator und zwei Gouverneure. Doch im Gegensatz zu anderen Kanzleien von gleicher Größe und ähnlichem Prestige hatte Hubbard, White & Willis nie ein besonderes Interesse daran, sich zu einer Politiker-Kaderschmiede zu entwickeln. In dieser Kanzlei pflegte man den Grundsatz, dass Politik zwar Macht, aber kein Geld einbrachte, und die Seniorpartner sahen nicht ein, warum sie um einer politischen Karriere willen die Praxis in der Wall Street aufgeben sollten, wo sie doch beides, Macht und Geld, hatten.
    Derzeit beschäftigte Hubbard, White & Willis über zweihundert Anwälte sowie dreihundert Assistenten, Anwaltsgehilfen und andere Angestellte; damit rangierte man größenmäßig im
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