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Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)

Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)

Titel: Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)
Autoren: Adriana Popescu
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wirklich hässlich werden kann. Schwer atmend starren die beiden sich an, als würden sie den jeweils anderen damit in Grund und Boden stampfen können – und ich stehe irgendwo dazwischen und weiß nicht so recht, wann dieser Abend diese Wendung genommen hat, und warum manches nicht mehr so ist, wie es sein sollte. Tobis Augen funkeln noch immer wütend, bei seiner Körpergröße wirkt das sehr einschüchternd. Damian, der vielleicht etwas kleiner, aber nicht weniger wütend ist, kämpft noch immer mit seinen Emotionen, bevor er zu mir sieht.
    »Du solltest ihn besser nach Hause bringen.«
    Damians Stimme ist kühl und das trifft mich so, wie der Ellenbogen eben in seinem Gesicht gelandet ist. Ja, wir sollten gehen. Aber ich sollte nicht so gehen. Nicht ohne etwas zu sagen, das uns morgen noch immer beste Freunde sein lässt. Oder all die Tage danach. Tobi bückt sich und hebt seine Scream-Maske vom Boden auf, bevor er zur Tür geht. Ich bewege mich noch immer nicht. Ich sehe zu Damian.
    »Lea?«
    »Ich komme sofort. Ich hole meine Handtasche.«
    Das stimmt. Oder auch nicht. Tobi tritt aus der Tür und Damian spuckt einen Teil seines Plastikeckzahns in seine Hand.
    »Er hat es nicht so gemeint, Damian.«
    Er nickt, sieht mich aber nicht an. Ich habe seine Party ruiniert, weil ich … warum noch mal?
    »Er wollte nur ...«
    Weil ich dachte, zwischen ihm und mir würde jemals irgendwann mehr sein als das, was es gerade ist. Vielleicht wird es das auch eines Tages. Aber im Moment ist das … nicht so einfach.
    »Er wollte dich nur beschützen.«
    Damian wäre nicht Damian, wenn er mir nicht das schiefste Lächeln aller einzahnigen Vampire schenken würde, das überhaupt möglich ist.
    »Wie es scheint, ist er gar kein so großer Idiot, wie ich immer dachte. Auch wenn er schlägt wie ein Mädchen.«
    »Immerhin hat er dir einen Zahn ausgeschlagen ...«
    Damian lacht kurz auf und verdreht die Augen.
    »Einen Plastikzahn!«
    Genügt uns wirklich ein Mensch für alles im Leben? Oder ist es okay, beide Männer zu lieben, weil sie eben so sind, wie sie sind? Ich mache einen kleinen Schritt auf ihn zu. Natürlich erkennt er die Einladung und nimmt mich in den Arm. Fest!
    »Hör nicht auf das, was andere über Timo sagen. Er war ein feiner Kerl.«
    Sein Flüstern dröhnt in meinem Inneren nach, wie das Echo eines Alphorns, das durch die Berge hallt. Ich drücke ihn noch etwas fester an mich.
    »Krieg das mit Simone wieder hin, ja?«
    Er nickt und lässt mich wieder los.
    »Wir sehen uns dann.«
    »Wie immer.«
    Weil wir uns immer sehen. Weil wir die gleichen Clubs und Kneipen mögen, weil wir zusammen ins Kino gehen. Weil unsere Leben miteinander verbunden sind – ob andere das nun wollen oder nicht.
    Mit meiner Tasche über der Schulter trete ich in den Hausflur und erkenne Tobi, der auf der Treppe sitzt und mit der Maske in seiner Hand spielt. Als er mich sieht, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Ich komme langsam auf ihn zu.
    »Ist alles okay mit dir?«
    Auch wenn die Prügelei im Flur nicht gerade die Qualität eines Klitschko-Kampfes hatte, sah es doch ziemlich wild aus. Aber Tobi zuckt nur die Achseln.
    »Mir gehts gut. Der Typ hat mich kaum berührt.«
    Männer! Aber tatsächlich sieht Tobi nicht besonders mitgenommen aus. Er scheint sich mehr Sorgen um die Frau im Katzenkostüm zu machen …
    »Soll ich dich heimfahren?«
    Ich nicke. Er steht auf und greift nach meiner Hand. So, als wären wir nicht auseinander. So als wären wir noch – oder wieder – zusammen.
    »Wieso bist du gekommen?«
    Zusammen gehen wir die Treppen nach unten und entfernen uns immer weiter vom Lärm hinter Damians Wohnungstür. Tobi zuckt die Schultern.
    »Weil du mich darum gebeten hast.«
    Zwischen dem ersten und dem zweiten Stock küsse ich ihn. Ich küsse ihn, weil ich darf. Weil er mich lässt. Und weil er in ein paar Monaten wieder mit mir streiten wird. Weil wir so sind und vielleicht so sein müssen. Weil Liebe vielleicht nicht eine Welle der Begeisterung und Harmonie ist und wir oft in einen heftigen Sturm geraten. Aber wenn er einfach so zu mir kommt, weil ich ihn darum gebeten habe, dann kann es zumindest nicht falsch sein, ihn zu küssen. Besser noch: er küsst mich zurück!
    »Und wieso die Maske?«
    »Du hast gesagt, nur mit Verkleidung.«
    Tobi ist ein Idiot. Tobi macht Fehler. Auch manche, die ich ihm nicht verzeihen sollte. Aber Tobi ist mit einer Maske auf eine Halloween-Party gekommen, auf die er ohne Zweifel keine
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