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Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)

Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)

Titel: Ein Tag und zwei Leben (Episode 1)
Autoren: Adriana Popescu
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sich mein Mageninhalt auf den Rückweg machen kann, gehe ich wieder ins Innere und sondiere hektisch den Raum. Keine gute Idee, in die Spüle der Küche zu kotzen. Das erregt zu viel Aufsehen. Hastig schiebe ich mich durch die Tanzmenge und bete inständig, mich nicht hier im Wohnzimmer übergeben zu müssen. Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich kenne mich in seiner Wohnung blind aus und weiß, wo das Badezimmer ist. Das einzig mir bekannte Badezimmer, das man nicht absperren kann und bei dem man sich stattdessen auf das kleine Schild verlassen muss. »Besetzt!« steht dort. Aber »Besetzt!« ist mir jetzt egal, denn die Caipis wollen wieder raus! Okay, vielleicht auch nur der Rum – aber ich denke, es wird nicht möglich sein, das getrennt voneinander … wie dem auch sei. Ich stürze auf die Tür zu und ignoriere die Ausrufe der anderen auf dem Flur, die mich noch mal auf das Schild aufmerksam machen wollen. Ausnahme! Notfall und so! Also schiebe ich die Tür auf – – und …
    Es gibt Dinge, die wollte ich NIE sehen. Spontan könnte ich eine Liste mit zehn Punkten aufsagen, aber das, das erobert sofort die Pole-Position von Dingen, die ich NICHT sehen wollte: Eine sexy Hexe oder billige Schlampe bläst einem sexy Vampir gerade einen. Anders als es bei ihr der Fall ist, überkommt mich sofort der Würgereflex. Ich schaffe es gerade noch zur Spüle, bevor sich die Cocktails eilig auf den Rückweg machen. Meistens fühle ich mich beim Kotzen einfach nur schlecht, wie jeder Mensch. Aber diesmal fühle ich mich unglaublich schlecht. Vor allem, weil ich die beiden aus meiner Position aus auch noch sehen kann – und Damians Gesichtsausdruck wahrnehme, der sich allerdings schnell von Lust in Sorge verändert, während Simone keinen Grund sieht, ihre Tätigkeit zu beenden. Besser ich schließe die Augen. Und das tue ich. Nur verhindert das nicht den widerlichen Soundtrack im Hintergrund, der nur allzu deutlich erahnen lässt, dass Simone tatsächlich nicht aufhört, das zu tun, was sie häufig tut: sie nimmt mal wieder den Mund zu voll. Dieser Abend ist schlimm! Richtig schlimm!! Schlimmer!!! Damian protestiert schwer atmend, Simone gibt genervt auf. Ihre »Unterhaltung« dringt nur in Wortfetzen zu mir. Aber zumindest beruhige ich mich langsam wieder, aber auch nur, weil einfach nichts mehr im Magen ist, das raus will. Schnell drehe ich das Wasser auf und spüle mir den Mund aus.
    »Geht es wieder?«
    Ich spüre eine Hand auf meinem Rücken und erkenne die Stimme sofort, aber ich will nur, dass er verschwindet. Er soll sich einfach in Luft auflösen! Mehr will ich nicht. Heiße Tränen laufen über meine Wangen, die ich schnell mit kaltem Wasser vermische, damit Damian auf keinen Fall sieht, dass ich weine.
    »Lass sie doch. Die hat nur zu viel gesoffen.«
    Simone ist genervt. Ich habe sie unterbrochen. Und dabei wollte sie doch unbedingt bis zum Ende gehen. Ihre Stimme ist herablassend. Dabei steht ihr dieser Tonfall gar nicht. Er lässt sie größer erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist, und so hebe ich den Kopf ein bisschen, um sie anzusehen. Ihr dämliches Grinsen kann sie sich direkt aus dem Gesicht wischen. Das und vieles mehr. Sie nimmt Damians Hand will ihn aus dem Bad ziehen, aber Damian sieht mich nach wie vor besorgt an.
    »Komm, lass uns gehen.«
    »Es geht ihr nicht gut, das siehst du doch!«
    »Na und? Die einen spucken, die anderen schlucken.«
    Dazu dieses Lächeln, als wäre dieser Spruch geistreich und nicht einfach nur peinlich. Oder vorhersehbar. Ich richte mich auf, obwohl meine Knie weich sind und mein Kopf sich dreht. Aber eine Frau im Katzenkostüm hat sieben Leben. Ich werde sechs davon riskieren, um Simone die Stirn zu bieten!
    »Da bist du stolz drauf, oder?«
    »Ach Lea, kümmere dich doch mal um dein Leben und versuche nicht, dich in Damians zu quetschen.«
    »Das tue ich gar nicht!«
    Denn ich war schon vor ihr da und ich werde auch noch da sein, wenn sie es nicht mehr sein wird. Das weiß sie, und das macht ihr Angst. Sie hat ihn jetzt, sie darf seine sexuellen Fantasien erfüllen – und das ist kein besonders exklusives Recht, wie wir wissen –, aber sie wird irgendwann zu den Akten gelegt. Zumindest rede ich mir das erfolgreich ein.
    »Ach nein? Du hängst ständig mit ihm zusammen. Kein Wunder scheitern deine Beziehungen die ganze Zeit!«
    Es scheitert eigentlich nur eine Beziehung. Und zwar die mit Tobi. Die dafür immer wieder. Aber ich bleibe meinem On/Off-Freund
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