Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
Vom Netzwerk:
führt, obwohl sie nach acht Jahren sicher zu sein glaubt, daß er nicht auf einmal aufsteht und in die Nacht hinausfährt, ohne zu sagen, warum: Was macht sie dann? Was ändert sie in ihrem Leben? Er hatte das Gefühl, er müßte sich mit jedem Arrangement abfinden, das sie getroffen hätte, wenn er einmal zurückkehrte. Er versuchte, sich eine andere Möglichkeit vorzustellen, und kam zu dem Schluß, daß es sie nicht gab.
    Er blies seinen Rauch in die Dunkelheit. Ein Wagen kam den Feldweg entlang, seine Scheinwerfer folgten dem Straßenrand, das Radio lief, und es klang, als wäre er ganz in der Nähe. Dann erreichte er das Ende der Straße, bog wieder in die Wüste ein, und die Musik verebbte.
    Um neun Uhr ging er zum hinteren Teil des Hauses, schaltete das Licht an, füllte den Wasserkessel und setzte ihn wieder aufs Feuer. Die Küche roch kalt, obwohl es in ihr wärmer war als in den anderen Räumen. Der Herd roch nach Gas. Er spülte die Thermosflasche und stellte sie mit der Öffnung nach unten auf das Spülbecken. Er holte den Pulverkaffee herunter, setzte sich an den Tisch und wartete.
    Er dachte daran, wie er in der kleinen Jagdhütte mit zwei Zimmern in Hazen gesessen und am Tisch gewartet hatte, daß die Ärzte aus Memphis kamen. Er hatte die Becher gespült, in jeden einen Löffel getan, sie in einer Reihe auf den hölzernen Tresen gestellt und die Blechdose mit Pulverkaffee dazugestellt. Und dann hatte er angefangen zu warten, daß es ans Schießen ging, vom Gaskocher und dem Licht der Glühbirnen in den Ecken gewärmt, die Schatten in das Hinterzimmer warfen, wo das Feldbett stand. Er wartete in der Kälte, bis die Ärzte den Fahrweg herunterkamen, wobei ihre schweren Wagen schwankten und schaukelten und die Strahlen ihrer aufgeblendeten Scheinwerfer weit über das Feld bis zum Waldrand warfen, wo er durch die halbverglaste Tür Augen aus rotglühender Kohle aufblitzen und zwischen den Bäumen verschwinden sah.
    Er hatte am Fenster gewartet, bis sie hereinkamen, alte Männer in hohen Gummistiefeln und Segeltuchmänteln, und hatte den Topf vom Herd genommen und Kaffee gemacht, während die Stimmen der Männer das Zimmer füllten, die lachten und husteten, bis es warm wurde. Er war dann ins Hinterzimmer geschlüpft, um auf dem Feldbett zu warten, bis er das Fenster mit dem ersten Silberdunst hinter den Baumwipfeln hell werden sah und er die Männer in der Stille über das Feld auf den Wald zutrieb, so daß die Hütte versank, nur noch ein einzelnes Licht war und schließlich in den gleißenden Flocken von Sonnenlicht verschwand. In der Kälte wurden die Männer still und mürbe wie Klumpen weicher Kohle. Sie stapften in den Wald, und ihre Stiefel knatschten, bis sie allmählich ins Wasser gelangten. Er hatte sie in die Boote gesetzt und war in den Strom hinausgewatet, hatte sie zwischen den Bäumen hindurchgezogen, bis er die Enten hören konnte, die sich hundert Meter weiter, wo das Wasser tief wurde, zankten und verbündeten. Hoch oben konnte er ihre Spur sehen, die sich säuberlich auf dem fahlen Himmel abzeichnete. Er setzte die Männer dort aus und hielt die Boote, während sie in das bis zu den Schenkeln reichende Wasser hinausstolperten, und sagte ihnen, in welche Richtung sie nicht gehen sollten: auf die Fahrrinne des Wasserlaufs zu. Dann ließ er sie zurück, während sie lärmend durchs Wasser wateten und in der Dämmerung lachten, bis er sie nicht mehr hören konnte und die Boote wieder auf festen Boden gezogen hatte.
    Er war dann übers Feld zurück zum Haus gegangen und hatte gewartet, unter der Lampe gedöst, bis der Morgen hell und gläsern heraufgezogen war. Dann ging er durch die Bohnenfelder zu den Booten zurück, wo er immer schon einen von ihnen fand, immer nur einen, der zurückgekommen war, im seichten Wasser im Boot schlafend, mit blauen Lippen, eine Strähne blonden Haars über der Schläfe, eingeschlafen, bevor es überhaupt noch hell geworden war. Er zog den Schläfer im Boot zurück in den Wald und durchs schwarze Wasser dahin, wo die anderen schrien und das Wasser aufwühlten und schossen, wo die abgeschossenen Enten auf der sich kräuselnden Wasseroberfläche bluteten und im Kreis zwischen den Bäumen schwammen.
    Er hatte dort in dieser Hütte gewartet, daß die Ärzte aus Memphis kamen, oder die Fischhändler aus Gulfport und Pass Christian herüberfuhren, oder die Juden aus Port Arthur, die die ganze Nacht durch Louisiana fuhren und vor Tagesanbruch ankamen, auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher