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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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schlammigen Hof kotzten und in der Nacht herumbrüllten. Er hatte dort morgens gewartet, an nichts gedacht, auf die gewartet, von denen der alte Rudolph Geld nahm (tausend Dollar pro Kopf) und die er hinausschickte; er hatte ihre Löffel abgespült und sich geräuschlos aus dem Licht weggestohlen ins kalte Hinterzimmer, hatte gewartet, um sie zur Entenjagd zu führen.
    Bis das zu Ende ging, nach drei Jahren, ohne auch nur ein Wort an den alten Rudolph oder auch nur eine Nachricht. Er hatte sich mit Jackie davongemacht, unter den nebligen Lichtern, blau und durchscheinend wie Gaze, als ob sich ein kühler Dunst zwischen sie geschoben hätte, war nach Mitternacht durch Little Rock und die ganze Strecke bis Bishop gefahren, wo er das Gefühl hatte, so viel Abstand zwischen sich und der Hütte und den Feldern und dem ganzen Leben dort geschaffen zu haben, daß es zu schwer geworden wäre, zurückzugehen. Als dieser Abstand schließlich geschaffen war, fühlte er sich sicher.
    Er löffelte Kaffeepulver in die Thermoskanne und goß Wasser darüber, bis es ihm ins Gesicht dampfte. Er schob den Stöpsel hinein, schüttelte die Kanne und knipste das Licht aus. Er ging zurück ins vordere Zimmer, saß an der Tür und horchte auf Jackie, auf ihren Atem, auf irgendein Zeichen, ein Ächzen in den Bettsprossen, das zeigte, daß sie da war. Denn sie war ohne ein Wort gegangen und hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und nicht ein einziges Geräusch gemacht, seit das Licht ausgegangen war. Er saß da, der Stuhl knarrte im Dunkeln, und wartete, horchte auf das leiseste Geräusch. Er konnte fühlen, wie der Luftstrom unter der Tür durchzog, der Duft von Wüstenveilchen, der durchs Haus Richtung Osten in die Wüste zurückzog. Er stand auf und ging zum Fenstersims, griff nach der Papiertüte mit seiner zusammengerollten Kleidung, ging zum Fliegengitter und sah über die Ebene nach Bishop, das schemenhaft in der Nacht lag. Die Straße in die Berge war nicht mehr zu sehen, bis auf eine Stelle, wo ein Paar länglicher Lichtkegel aus dem Tal abdrehte.
    Er dachte, wenn das Leben voller Anfänge war – und er hatte gerade heute beschlossen, daß es bei ihm so war – und man sich vorgenommen hatte, am Leben zu bleiben, daß es dann leere Augenblicke geben würde, wo es kein Atmen gab und kein Leben, einen Zeitpunkt, der das, was vergangen war, von dem trennte, was nun begann. Es waren diese leeren Augenblicke, dachte er, an die er sich gewöhnen mußte.
    Er hob den Riegel und ging über die Veranda zum Pickup. Jackie hörte im Schlaf, wie er über die Bretter und das feuchte Gras ging, hörte seine Schuhe auf dem Kies und den Nagel, der sich durch sein eigenes Gewicht wieder in die Öse des Riegels senkte, hörte, wie der Pickup sich hob und zischte. Und sie lag ruhig da, erwachte nicht von den Geräuschen, nahm nicht wahr, daß er sie verließ, nahm bloß die Geräusche wahr und die kühle Luft, die das Laken kräuselte und unter der Tür hinausströmte in das Zimmer, wo sie, wenn sie plötzlich erwacht und aufgeschreckt wäre, ihn vielleicht gerufen hätte, im Glauben, daß er da war und im Dunkeln saß und rauchte, und überzeugt, daß dies alles nicht geschehen war.

2  
    Früh am Morgen hatte er im grauen Licht wach gelegen und es sich alles noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Vor zwölf Jahren hatte er unter der Dachtraufe in Helena in dem kleinen Zimmer mit der Rosentapete gelegen, auf das Ticken durch die Zypressenholzwände gehorcht, das Gewicht auf der Treppe und das plumpe Schlurfen durch die Tür kommen gehört und ihm seinen Kopf zugewandt, aber nichts erkennen können.
    »Also gut«, sagte er verdutzt, während ein schwerer süßer Duft durchs Dunkel strömte. »Ich kann nichts erkennen. Wer ist denn da?«
    »Ich bin’s«, sagte sie und ließ ihre Steppdecke zu Boden sinken. Der Gardeniengeruch breitete sich im ganzen Zimmer aus. »Ich kann nicht länger warten.«
    Ihre Knie drückten sich ins Bettzeug ein, während er versuchte, sich aufzurichten, um sie im Dunkeln zu sehen, und bloß ihre Brüste sah, die ihm entgegenquollen und verschwanden, und ihre Arme, die ihn hochnahmen und festhielten, bis er, als er zu sprechen versuchte, nur noch sagen konnte: »Honey, Honey.« Und das war alles.
    Am Morgen stand sie da, rieb ihre Augen und wedelte mit ihren Armen im staubigen Licht, und ihre Unterarme waren gleichzeitig bleich und dunkel. Das Bett roch säuerlich.
    »Robard«, sagte sie und fuhr mit den
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