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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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Flagstaff. Er stand um vier Uhr auf, fuhr durch, bis es dunkel war, schlief auf dem Sitz des Pickups außerhalb von Bluewater, New Mexico, wachte im hellen Sonnenschein auf und fuhr nach Grants hinein, um zu frühstücken. In Grants trat er hinaus in den Morgenwind zwischen dem Highway und den Viehbahnhöfen von Santa Fe und beobachtete, wie die Viehwaggons auf die Gleise der Hauptstrecke rangiert wurden, die von Süd-Texas herführte. In der kühlen, zart getönten Luft schliefen die Rinder im Stehen. Er beobachtete, wie der Zug fertiggemacht wurde und Richtung Osten verschwand, und fuhr dann nach Albuquerque und wieder hoch über den violetten Rand der Manzanos zurück in die Wüste.
    Vor Santa Rosa war ein Buick Kabriolett auf den Straßenrand gefahren worden, und eine blonde Frau in weißen Hosen stand daneben in der Sonne, schützte ihre Augen mit der einen Hand und winkte mit der anderen so träge, als ob sie jemandem oben an der Straße Zeichen machte. Das linke Rücklicht des Buick war eingedrückt, und das Warnlicht blinkte matt in der Sonne. Er sah den Highway hinauf, um zu prüfen, ob jemand weiter hinten am Straßenrand stand, aber da war niemand, nur die schwarze Silhouette von Santa Rosa, die auf dem niedrigen Plateau der Wüste flirrte.
    Als er anhielt, hörte die Frau auf zu winken und stützte ihre Hand auf die Hüfte, schützte aber weiterhin die Augen mit der anderen Hand. Er stieg aus, ging am Wagen entlang und sah hinunter auf den Rücksitz, auf dem lauter Bierdosen verstreut waren. Aus manchen tropfte Bier.
    »Die Sonne ist total schlecht für den Teint, wissen Sie das?« fragte die Frau gleichgültig und nahm ihre Hand weg, so daß er ihr kleines Gesicht sehen konnte.
    »Was haben Sie denn damit gemacht?« Er deutete auf den Wagen.
    »Er sagt, die Pumpe ist kaputt, aber davon versteh ich nichts. Ich weiß nur, daß er nicht mehr fährt.« Sie zupfte an einem Stück ihrer Bluse und zog es von der Haut weg.
    »Wo ist er denn hin?« fragte er.
    »Variadero, baut einen Hamburger-Palast.« Sie schützte wieder ihre Augen und musterte ihn, als hätte sie etwas gehört, das ihr nicht gefiel. Er ließ sich in den Wagen gleiten und spielte mit dem Zündschlüssel.
    » Ich  kann da bestimmt nichts dran machen.« Sie trat in den Schatten des Wagens und zupfte an ihrem Haar herum.
    Er versuchte es mit dem Schlüssel. Der Motor fing normal an, sich zu drehen, hörte aber kurz vorm Anspringen auf. Er hielt das Gaspedal unten, drehte den Schlüssel hin und her und versuchte, den Motor zu zünden, aber er sprang nicht an. Und schließlich hörte er auf und blinzelte zu ihr hinüber, wie sie draußen in der Hitze stand. Sie sah genauso aus wie eine Menge Frauen, für die er sich nicht interessiert hatte, kleine Ohrringe aus blauen Sternen und gerötete Haut, die sie älter aussehen ließ, als sie war. Er hätte sich am liebsten davongemacht. Ihr Mund wurde härter. »Die Hälfte davon sind Larrys«, sagte sie und wandte schnell ihre Augen ab. »Er trinkt sein Frühstück auf dem Weg zur Arbeit, ich trinke meins auf dem Weg nach Hause.« Sie lachte. »Ich nehm aber keine Tramper mit.«
    »Das hat ja auch keiner behauptet«, sagte er, starrte auf das große Armaturenbrett und versuchte hinauszufinden, ob eine der Anzeigen erkennen ließ, wo der Schaden lag.
    »Tu ich auch nicht«, sagte sie.
    »Dann ist ja gut«, sagte er und kletterte heraus. »Schauen Sie, ich krieg Ihr Boot nicht wieder flott.« Er wischte sich den Schweiß vom Kinn.
    »Was zum Teufel soll ich denn jetzt machen?« fragte sie und starrte ihn an.
    »Ich nehm Sie ein Stück mit«, sagte er.
    »Nach Curvo«, sagte sie und verzog ihren Mund zu einem Grinsen.
    »Wie weit ist das?«
    »Ist das nicht egal, wenn’s Ihre Richtung ist?« fragte sie.
    »Doch«, sagte er und ging zurück zum Pickup.
    Sie griff hinein, zog eine aufgerissene Packung Bier heraus und kam hinter ihm her. »Meine Wertsachen hab ich rausgeholt«, sagte sie und lachte.
    »Wollen Sie ihn so stehenlassen, mit den Blinkern an?« fragte er und sah unglücklich auf das Bier.
    »Zum Teufel damit«, sagte sie und kletterte in den Pickup.
    Sie saß hoch auf dem Sitz, ließ eine Hand lässig aus dem Fenster hängen und den Fahrtwind durch die Finger ziehen. Von dem Augenblick an, als sie in den Pickup stieg, war sie anders, dachte er, ein bißchen zarter, als sie draußen neben dem Wagen gewirkt hatte. Sie hatte einen kleinen blauen Fleck unter ihrem Ohr, den sie immer wieder mit den
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