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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Autoren: Kate Noble
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französischen als auch beim britischen Geheimdienst seit jeher die Regel galt, nicht allzu blutrünstig mit feindlichen Agenten umzugehen, war dies nur eine der vielen Gepflogenheiten, mit denen Leblanc dieser Tage brach.
    Sie tastete sich an der Wand entlang, untersuchte jede Fuge und angelte die losen Steinchen aus den Ritzen. Diese füllte sie in ihren Strumpf, um sich einen kleinen Totschläger anzufertigen, eine im Dunkeln leicht zu handhabende Waffe. Eines ihrer Lieblingsinstrumente.
    Etwas regte sich kaum wahrnehmbar. Eine jüngere, sehr schwache Stimme ertönte. »Hier ist jemand.«
    Ihr englischer Spion antwortete. »Nur ein Mädchen, das Leblanc hergebracht hat. Kein Grund zur Sorge.«
    »… noch Fragen?«
    »Im Moment nicht. Es ist sehr spät, und es dauert noch Stunden, bis sie uns holen. Stunden.«
    »Gut. Ich werde bereit sein – wenn sich die Gelegenheit bietet.«
    »Es ist bald so weit, Adrian. Dann sind wir wieder frei. Hab Geduld.«
    Dieser unbekümmerte Optimismus der Engländer. Wer konnte den schon verstehen? Hatte nicht auch ihre Mutter immer gesagt, dass sie alle irre wären?
    Leblancs Gefängnis war klein, aber wirklich sehr aufgeräumt; nur so wenige Steinchen, die sie fand. Es dauerte eine Weile, bis der Totschläger schwer genug war. Sie knotete den Strumpf zu und steckte ihn in die Geheimtasche unter ihrem Rock. Dann suchte sie weiter die Wände ab, fand aber nichts Interessantes. In Gefängnisräumen gab es nicht gerade viel zu entdecken. Dieser hatte vor der Revolution als Weinkeller gedient. Er roch nach altem Holz und gutem Wein, aber auch weniger erquicklichen Dingen. Am anderen Ende der Zelle stieß sie auf die angeketteten Engländer. Sie blieb stehen, um sich mit den Händen auch von ihnen ein Bild zu verschaffen.
    Der auf dem Boden liegende Mann war jung, jünger als sie selbst. Siebzehn? Achtzehn? Er hatte den Körper eines Akrobaten; diese schmächtigen, kompakt gebauten Kerle. Er war verwundet. Sie konnte noch das Schießpulver und die infizierte Wunde riechen. Jede Wette, dass das Geschoss noch steckte. Als sie sein Gesicht ertastete, begegnete sie trockenen, rissigen Lippen und glühender Hitze. Er hatte hohes Fieber.
    Eine tadellose Kette fesselte ihn an die Wand, doch das große Vorhängeschloss war alt. Käme es zur Flucht, müsste es geknackt werden. Sie untersuchte seine Stiefel und Kleidersäume, nur für den Fall, dass Leblancs Männer irgendetwas Kleines, Nützliches übersehen haben sollten. Natürlich fand sie nichts, aber man musste wenigstens nachschauen.
    »Schön … «, murmelte er, als ihre Hände über seinen Körper glitten. »Später, Schätzchen. Bin zu müde … « Das war wohl doch kein so kleiner Junge mehr. Er sprach englisch. Vielleicht gab es einen harmlosen Grund, warum sich ein Engländer in Frankreich aufhielt, in einer Zeit, wo ihre Länder genau genommen noch nicht im Krieg waren. Aber irgendwie stimmte sie mit Leblanc überein. Das hier war ein Spion. »Hundemüde.« Dann bat er mit plötzlich klarer, deutlicher Stimme: »Erzählt Lazarus, dass ich das nicht mehr mache. Nie wieder. Sagt es ihm!«
    »Wir reden noch darüber«, antwortete sie leise, »später.« Ein schwer einzuhaltendes Versprechen, da sie nicht davon ausging, noch besonders oft Gelegenheit dazu zu haben. Wenn auch vielleicht öfter als dieser Junge.
    Er versuchte sich aufzusetzen. »Ritter der Königin, Nummer drei. Ich muss fort. Sie warten darauf, dass ich den Roten Ritter überbringe.« Er plapperte aus, was er besser für sich behalten sollte. Und er würde sich verletzen, wenn er weiter so um sich schlug. Daher drückte sie ihn behutsam zurück.
    Starke Arme kamen ihr zu Hilfe. »Ganz ruhig. Das ist schon erledigt«, beschwichtigte der andere Mann, während er den Jungen stützte.
    Er hätte sich nicht zu sorgen brauchen. Solche Geheimnisse interessierten sie nicht mehr. Tatsächlich wäre es ihr sogar lieber, sie gar nicht erst zu hören.
    »Sag es den anderen!«
    »Das werde ich. Sie sind alle in Sicherheit. Ruh dich jetzt aus.«
    Im Fieberwahn hatte der Junge den Wasserkrug umgeworfen. Ihre Finger fanden ihn auf der Seite liegend … leer. Kein einziger Tropfen war mehr darin. Der Gedanke an Wasser peinigte ihren Mund wie Nadelstiche, so durstig war sie.
    Nichts war schlimmer als Durst. Weder Hunger noch Schmerz. Vielleicht war es sogar gut, dass es kein Wasser gab, das sie auf die Probe gestellt hätte. Ob sie wohl sonst zum Tier geworden und es diesen Männern
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