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Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Autoren: Kate Noble
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zwei Tage lang könnte sie seiner Überzeugungskraft wohl noch standhalten. Doch dann würde er die Albion-Pläne aus ihrem Gedächtnis quetschen und Gott weiß welch gierigen Verrat damit anstellen.
    Ihr alter Mentor Vauban würde enttäuscht von ihr sein, wenn er davon erfuhr. Er saß in seinem Häuschen in der Normandie und wartete auf eine Nachricht von ihr. Was mit den Plänen geschehen sollte, hatte er ihr überlassen. Dabei hatte er jedoch nicht einkalkuliert, dass sie Leblanc in die Hände fallen könnten. Sie hatte ihn enttäuscht. Sie hatte alle enttäuscht.
    Sie holte tief Atem und ließ die Luft langsam heraus. Schon merkwürdig zu wissen, dass ihr nur noch eine begrenzte Anzahl an Atemzügen blieb. Vierzigtausend? Fünfzigtausend? Irgendwann heute Nacht, wenn ihre Qualen unerträglich würden, fing sie vielleicht an, sie zu zählen.
    Sie zog die Schuhe aus, erst den einen, dann den anderen. In ihrem Leben hatte sie zweimal im Gefängnis gesessen … beide Male eine fürchterliche Erfahrung. Immerhin hatten die Zellen oberirdisch gelegen, und man hatte etwas sehen können. Beim ersten Mal war Maman dabei gewesen. Nun war Maman tot, bei einem dummen Unfall ums Leben gekommen, der nicht einmal einen Hund hätte umbringen sollen. Maman, Maman … du fehlst mir so sehr . Nun war sie ganz auf sich allein gestellt.
    In der Dunkelheit fühlte man sich sehr einsam. Daran hatte sie sich nie gewöhnen können.
    Die tiefe Stimme des englischen Spions drang leise aus der Finsternis. »Ich würde mich ja gern erheben und höflich vorstellen … «, Ketten rasselten, »… doch man nötigt mich zu ungehobeltem Benehmen.«
    So unermesslich allein fühlte sie sich also, dass ihr sogar die Stimme eines englischen Feindes wie eine herzliche Umarmung erschien. »Derlei Unhöflichkeiten begegnen mir in letzter Zeit häufig.«
    »Es scheint so, als hättet Ihr Leblanc verärgert.« Er sprach das klangvolle Französisch des Südens, ohne auch nur den Hauch eines ausländischen Akzents.
    »Ihr aber auch, wie mir scheint.«
    »Es liegt nicht in seiner Absicht, dass irgendjemand von uns das Gefängnis lebend verlässt.«
    »Höchstwahrscheinlich.« Sie rollte ihre Strümpfe herunter, steckte sie in ihren Ärmel, um sie nicht zu verlieren, und schlüpfte wieder in die Schuhe. Man konnte doch nicht barfuß gehen. Selbst im Vorzimmer zur Hölle musste man praktisch denken.
    »Wollen wir seine Pläne durchkreuzen … wir beide?«
    Er klang nicht so, als wäre er bereit zu sterben, was zwar in gewisser Weise bewundernswert, aber nicht gerade realistisch war. Typisch englisch, diese Sichtweise der Dinge.
    Angesichts solcher Tapferkeit konnte sie nicht einfach dasitzen und jammern. Die französische Ehre verlangte, dass eine Französin dem Tod ebenso couragiert begegnete wie ein Engländer. Die französische Ehre schien ständig irgendetwas von ihr zu verlangen. So etwas wie Tapferkeit war eine Münze, die zu fälschen sie gewohnt war. Obendrein konnte der Plan, den sie schmiedete, sogar funktionieren. Vielleicht gelang es ihr, Leblanc zu überwältigen, aus dem Château zu entkommen und sich um die Albion-Pläne zu kümmern, die sie in diesen ganzen Schlamassel gebracht hatten. Ja, und Schweine könnten Flügel bekommen und damit durch die Stadt und um die Kirchtürme fliegen.
    Der Engländer wartete auf eine Antwort. Sie erhob sich mühsam. »Es wäre mir ein Vergnügen, Leblanc in jeder Hinsicht zu enttäuschen. Wisst Ihr, wo wir sind? Ich konnte es nicht herausbekommen, als man mich herbrachte, aber ich will hoffen, dass dies das Château in Garches ist.«
    »Eine ungewöhnliche Hoffnung, doch es stimmt, dies ist tatsächlich Garches, der Sitz der Geheimpolizei.«
    »Das ist gut. Ich kenne den Ort.«
    »Das dürfte uns von Nutzen sein, sobald wir diese Dinger hier los sind … «, das Klirren einer Kette ertönte, »… und die Tür entriegelt haben. Wir können uns gegenseitig helfen.«
    Er stellte ganz schön viele Überlegungen an. »Es gibt immer einen Weg«.
    »Wir könnten uns verbünden.« Der Spion wählte seine Worte mit Bedacht, in der Hoffnung, sie zu betören und so zu seiner Handlangerin zu machen. Seine Stimme war wie von Samt überzogen. Doch darunter verbargen sich unnachgiebige Härte und ein gewaltiger Zorn. Es gab nichts, was sie nicht über solch erbarmungslose, berechnende Männer wusste.
    Leblanc nahm viel auf sich, um britischer Spione in dieser Art und Weise habhaft zu werden. Und obwohl sowohl beim
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