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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jahre alt.«
    »Bei frühem Anfang könnten Sie mein Sohn sein, Kollege.« Corell stellte die Flasche aufs Bett zurück. »Ich bin fünfzig.«
    »Ich hätte Sie auf sechzig geschätzt.«
    »Danke! Das zahle ich Ihnen noch einmal zurück.« Corell verzog sein Gesicht, als Vicivic die Blechdose aufschraubte. »Haben Sie viel Patienten?«
    »Nein.«
    »Verständlich, bei dieser Salbe.«
    »Wir sind ein gesundes Volk, Kollege. Die ältesten Menschen leben am Balkan. Das strahlt bis nach Istrien aus.«
    Corell setzte sich aufs Bett. Wieder dieses mistige, giftfröhliche Schicksal, dachte er. Ausgerechnet in das Land der ältesten Menschen fahre ich, um zu sterben. Aber ich hatte schon immer einen besonderen Humor. »Fangen Sie an«, sagte er. »Und schließen wir einen Pakt. Ich ertrage weiter Ihre Salbe, und Sie belohnen mich mit einem Glas verdünnten Alkohols.«
    Vicivic schwieg. Er arbeitete schnell und geschickt, der Verbandwechsel tat nicht im geringsten weh, denn die Wunden hatten sich geschlossen, klebten nicht, der getrocknete Brei fiel ab wie Staub … eine saubere Angelegenheit, nicht einmal eine Rötung der Wundränder.
    »Gratuliere!« sagte Corell. »Ihr Brei hält das, was er stinkt.« Er streckte sich auf dem Bett aus, legte sich auf den Bauch und wartete, bis Vicivic die Nacken- und Rückenwunden abgetastet hatte. »Wie siehst's da aus?«
    »Erstaunlich gut. Polonecs Brei von außen, Ihr Alkoholblut von innen … daß muß ja heilen! Da kapituliert alles! Ich verzichte auf weitere Umschläge und lege nur noch einen Schutzverband an. Innere Verletzungen scheinen Sie nicht zu haben, ich konnte Sie ja bisher nicht danach fragen.«
    »Ich fühle mich gut, bis auf die Sehnsucht nach einem Schluck. Einigen wir uns darauf, daß es ein therapeutischer Schluck ist.«
    Vicivic verband Corell neu, verließ dann das Zimmer mit der Plastikflasche, kam nach kurzer Zeit mit einem Glas zurück und hielt es Corell hin. Der Duft von Alkohol war unverkennbar.
    »Wie hoch ist die Verdünnung?« fragte Corell.
    »50 : 50.«
    »Sie haben ein Herz für Säufer, Kollege.« Er schnupperte an dem Glas, setzte es dann an die Lippen, warf den Kopf zurück und kippte den Inhalt mit einem Zug in sich hinein. Vicivic beobachtete ihn stumm, nahm ihm dann das Glas ab, stellte die Plastikflasche Corell auf den Schoß und räumte seine Utensilien in die Tasche. »Saufen Sie sich tot!« sagte er dabei. »Saufen Sie das Zeug unverdünnt – das geht schneller.«
    »Sie werden lachen. Ich habe in Rußland Knollenschnaps getrunken, der so scharf war, daß man sich nachher beim Pinkeln Löcher in die Schuhe brannte. Und in Pula --, ja, in Ihrem Land, Kollege, – habe ich einen Selbstgebrannten verdaut, nach dem man sich wie ein Kreisel vorkam.« Er stellte die Flasche auf den Stuhl neben sich, leckte sich über die Lippen und war im geheimen darüber entsetzt, daß ihm dieser Schluck überhaupt nicht geschmeckt hatte. »Ich weiß, was Sie von mir denken. Ein alter Esel! Einer, der sich so wichtig nimmt, daß er der Umwelt unbedingt seinen Zerfall offerieren will. Mein lieber junger Kollege … als ich dreißig war wie Sie, kam ich mir vor wie in einer Falte von Gottes Mantel sitzend. Es konnte keinen glücklicheren Menschen geben. Aber dann schüttelte Gott seinen Mantel aus, und da merkte ich, daß ich nur Staub war. Begreifen Sie das?«
    »Nein.«
    Dr. Vicivic hatte seine Tasche eingepackt. Er legte eine Rolle mit Tabletten auf den Stuhl neben die Plastikflasche. »Zum Schlafen. Sie können sie auch alle auf einmal nehmen. Zwanzig Stück reichen.«
    »Danke. Sie sind der geborene Arzt. Schade, daß hier alles so gesund ist, – ich gönne Ihnen eine große Praxis.« Corell nahm die Plastikflasche, schraubte sie auf, ging zum Fenster und schüttete den Alkohol in den Hof. Dann warf er die Flasche hinterher, und die Schlaftabletten auch. Vicivics Gesicht blieb unbeweglich, nur seine Augen freuten sich.
    »Wo ist Danica?« fragte Corell.
    »Unten im Wohnzimmer.«
    »Darf ich Spazierengehen?«
    »Sie dürfen alles.« Vicivic zog die Tasche vom Bett. »Ob ich Ihnen etwas sage oder nicht – Sie tun doch, was Sie wollen.«
    »Allerdings.«
    »Dann viel Glück.« Vicivic nickte Corell zu. »Richten Sie sich gut zugrunde. Aber schnell! Und lassen Sie Danica nicht dabei zusehen.«
    »Was hat Danica damit zu tun?« fragte Corell. Ein Kloß stak ihm plötzlich im Hals.
    »Blind werden Sie also auch«, sagte Vicivic geringschätzig. »Tun Sie mir einen
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