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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gefallen … verlassen Sie so schnell wie möglich Piran!«
    Er ließ Corell mit vielen unklaren Gedanken zurück. Wenn man es ganz nüchtern betrachtete, hatte Vicivic recht, ohne genau zu wissen, was eigentlich mit Corell los war. Wer so am Ende war wie Corell, hatte die Pflicht, sich aus dem Staub zu machen, ohne andere damit zu belasten. Alles andere artete in Gemeinheit aus.
    Corell wartete, ob Danica nach dem Weggang Vicivics heraufkommen würde, aber sie kam nicht, sie war vielleicht gar nicht mehr da, hatte mit Vicivic das Haus verlassen und stand jetzt hinter dem Andenkenstand ihres Vaters und verkaufte kleine hölzerne Ziehbrunnen, Eselchen und Holzlöffel. Natürlich ist das wichtiger, als einen Idioten zu pflegen, sagte sich Corell. Ich habe sie geküßt, und das war einer meiner größten Fehler in den letzten vier Jahren. Aber es war plötzlich über ihn geströmt, dieses Gefühl von Zärtlichkeit und Sehnsucht nach Wärme, und es war ein Augenblick, in dem man noch nicht wieder stark genug gewesen war, um es wegzudrängen.
    Er packte die zurückgelassenen alten Verbände zusammen und stieg langsam die steile Treppe hinunter. Es war noch mühsam, die Knie waren noch weich, und er war froh, als er unten im Flur stand. Drei Türen gingen von ihm ab, er entschloß sich für die linke und kam in ein Zimmer. Ein großer Schrank stand darin, ein Tisch mit sechs Stühlen, ein eiserner Ofen, zwei Buntfotos an den Wänden – das Meer im Sonnenuntergang und Isola mit seinem Fischerhafen – von der Decke hing wieder so eine Lampe mit einem Perlenschirm und am Fenster stand eine alte, eiserne Nähmaschine.
    Danica saß am Tisch. Sie saß einfach da, tat nichts, starrte zu dem Sonnenviereck des Fensters und wartete. Corell blieb an der Tür stehen, räusperte sich, hob die zusammengeknüllten Binden hoch und sagte: »Sie stinken … Wohin damit?«
    »Leg sie auf den Tisch …«
    Er nickte, legte sie aber auf einen Stuhl und setzte sich neben Danica.
    »Dieser Vicivic –«, sagte er – »ist ein verdammter Kerl! Er hat mir freie Fahrt gegeben. Wo ist mein Anzug?«
    »Im Schrank«, sagte sie und sah ihn nicht an dabei.
    »Und meine Wäsche, mein Hemd?«
    »Auf der Leine. Ich bügele nachher alles … Ich habe dazu vier Tage keine Zeit gehabt, und wenn Mutter aus der Wäscherei kommt, fällt sie fast um vor Müdigkeit.«
    »Man kann das Hemd auch ungebügelt anziehen.«
    »Aber nicht den Anzug.«
    »Spielt das noch eine Rolle? Über einen Kniff in der Hose bin ich längst hinaus. Danica, – ich muß an die Luft, an die Sonne …«
    »Du willst weg, nicht wahr?« Sie drehte den Kopf zu ihm. Ihre Augen waren trüb vor Traurigkeit. »Warum denn, Sascha?«
    »Bevor die Bora mich von der Straße blies, hatte ich ein genaues Ziel vor mir.«
    »Was willst du in Pula, Sascha?«
    Corell wischte sich über das Gesicht. Woher weiß sie von Pula? Der Name war nie zwischen ihnen gefallen. Er sah sie mißtrauisch an und zeigte auf den Schrank. »Ist da mein Anzug drin?«
    »Ich hole ihn dir.«
    Sie stand auf, nahm den zerknitterten Anzug aus dem Schrank und warf ihn über den Tisch. Dann ging sie hinaus und kam nach kurzer Zeit mit seiner Unterwäsche und dem Hemd zurück. Auch die Schuhe brachte sie mit, die Strümpfe, die Krawatte. Corell saß noch immer vor dem Anzug, in seinen lächerlichen Pyjamahosen und mit bloßem Oberkörper.
    »Warum sagst du nicht, daß ich ein Idiot bin?« fragte er. »Oben im Koffer liegen saubere Hemden und Unterhosen.«
    Sie hob die Schultern, setzte sich wieder und sah Corell zu, wie er sich anzog. In seinem Anzug kam er sich sofort stärker und freier vor, aber auch auf irgendeine Weise schrecklich getrennter von Danica. »Gehen wir?« fragte er und warf den Schlips über eine Stuhllehne.
    »Wohin?«
    »Irgendwohin. Zur Mole, zum Meer, rund um den Tartiniplatz, hinauf zur Pfarrkirche mit dem venezianischen Campanile. Oder zu dem Mauerring, zu den sieben Wehrtürmen, durch die Gassen mit ihren gotischen und barocken Palästen … irgendwohin … nur hinaus.«
    Sie nickte, holte ein rotes Band aus der Rocktasche, band die schwarzen Haare zurück und strich eine dicke Strähne aus der Stirn weg. »Wie alt warst du, als du in Piran warst?«
    Corell sah sie wieder erstaunt an. »Da muß ich rechnen. Ja … dreiundzwanzig Jahre …«
    »Ich bin dreiundzwanzig Jahre …«
    »Damals war Krieg, und wir hatten alle Hände voll zu tun mit euren Partisanen. Bei Novigrad hatten wir ein Feldlazarett, da
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