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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica
Autoren: Heinz G. Konsalik
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älterer Mann und eine kleine Frau mit einem im Nacken verknoteten Kopftuch blickten ihn an und drängten sich an der Wagentür. Vor den Scheinwerfern schimmerte und glitzerte das Straßenpflaster … runde Kiesel aus dem Meer.
    »Das ist mein Vater –«, hörte Corell Danica sagen. »Und meine Mutter. Wir sind in Piran, Sascha …«
    »Welch ein Glück, daß Sie noch leben!« Der alte Robic sprach ein Deutsch mit österreichischem Tonfall. Viele ältere Männer sprachen hier so, Überbleibsel einer verhaßten Militärzeit.
    »Ich weiß nicht, ob das ein Glück ist«, sagte Corell. Er schob die Beine aus dem Auto und tastete nach dem Kieselpflaster. Keine Lähmung, stellte er fest. Aber der Schmerz in Hüfte und Rücken meldete sich wieder, und dort, wo alles am Nacken klebte, brannte es.
    Hände griffen zu, man zog ihn aus dem Wagen, der alte Robic legte Corells Arm um seine breite Schulter und sagte: »Man sollte Danica an den Haaren ziehen, daß sie Sie nicht zum Spital gebracht hat! Aber sie sagt, Sie seien selber Arzt –«
    »Stimmt.« Corell sah an der Hauswand empor. Ein paar Fenster, eine enge grünbemalte Holztür, ein winziger Flur und dann eine steile Treppe nach oben. Der Boden aus Steinplatten, sauber gepflegt und gescheuert. Die Holzstiegen ausgetreten, aber rotbraun gestrichen. »Ihr Haus?« fragte er.
    »Ein altes, armes Haus … aber wir haben ein gutes Bett, von der Großmutter, mit dicken Matratzen, müssen Sie wissen. Sie hatte Rheuma und war sehr empfindlich. Wenn Sie wollen, bringen wir Sie auch ins Hotel. Es gibt gute Hotels in Piran. Aber Danica sagt, wir sollten Sie hier ins Bett legen.«
    Corell nickte. Die Schmerzen überzogen jetzt seinen ganzen Körper. Er biß die Zähne aufeinander, schwankte, auf den alten Robic gestützt, ins Haus, klomm mit klappernden Zähnen die steile Treppe hinauf und fühlte sich unbeschreiblich glücklich, als er das breite, hohe Bett im Zimmer sah. Er setzte sich auf die Matratze, lobte das Rheuma der Großmutter und hielt sich an der Bettkante fest.
    »Stana, das ist meine Frau, holt heißes Wasser –«, sagte Robic von der Tür. »Ihr Koffer wird von der Miliz gebracht, wenn das Protokoll aufgenommen worden ist. Sie sind größer als ich, aber ich bin breiter. Vielleicht paßt Ihnen mein Nachthemd. Warten Sie …«
    Er verschwand aus dem Zimmer, irgendwo klappten Türen. Corell blickte in die Lampe, die von der grob verputzten Decke hing. Ein roter Lampenschirm mit Perlstickerei und Perlschnüren. 1910, dachte er. Solange hängt er dort schon von der Decke. Auf alten, vergilbten Fotos sieht man sie noch …
    Er versuchte, die Jacke auszuziehen, aber die Drehbewegung in den Schultern jagte sofort einen Stich durch seinen Körper, der ihn zwang, aufzugeben.
    »Ich helfe dir, Sascha –«, sagte Danica. Jetzt erst bemerkte er, daß sie neben dem Bett stand, noch immer in ihren nassen Kleidern, nur die schwarzen Haare hatte sie aus dem Gesicht gestrichen. Sie hat gar keine dunklen Augen, dachte er. Sie sind braun-grün, und wenn das Licht in sie fällt, schimmern sie wie Seidensamt. Es sind schöne Augen … das Schönste an ihr außer ihren Brüsten und den langen Beinen. Von diesen Augen lebt das ganze Gesicht.
    Corell stemmte sich vom Bett hoch. Er widersprach nicht, als Danica ihm den Rock abstreifte, das Hemd aufknöpfte, die Krawatte entfernte, aber dann blieben ihre Hände auf seiner Schulter liegen und ihre Augen wurden weit vor Angst. »Du blutest, Sascha …«, stammelte sie. »Dein ganzer Nacken … der Rücken … Sascha!«
    Sie ließ ihn los, rannte aus dem Zimmer, und ihr Schrei gellte durch das ganze Haus. »Vater! Vater! Er blutet! Schnell, Vater!« Dann kam sie zurück, Corell hielt sich kraftlos am Bettpfosten fest, konnte nicht verhindern, daß sie ihm die Hose aufknöpfte und auf den Boden rutschen ließ, aber genau wie Danica sah auch er den großen Blutfleck am linken Oberschenkel und dachte: Es ist doch seltsam, was ein Mensch aushalten kann, wenn er es aushalten muß. Da haben mich ein Auto, Felsen, Baumstümpfe und wer weiß was zerhackt, und ich stehe hier und bewundere Danicas Augen.
    Er sah sie an, lächelte verzerrt und brach dann zusammen. Aber er hatte noch Verstand genug, sich rückwärts auf das Bett zu werfen.
    *
    Er mußte ein paar Tage bewußtlos gelegen haben, denn als er aufwachte, war er erstaunlich frisch und fühlte sich in dem breiten, weichen Bett der rheumakranken Großmutter wohl. Seine Schulter und der linke
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