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0863 - Auf den Schwingen des Todes

0863 - Auf den Schwingen des Todes

Titel: 0863 - Auf den Schwingen des Todes
Autoren: Christian Schwarz
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Eine halbe Stunde zuvor:
    »Wärst du so nett, Herr, mir beim Suchen zu helfen?« Senior Pastor Nathan Rempel stemmte die Fäuste in die etwas molligen Hüften und sah vorwurfsvoll zum Kreuz empor, das seit vielen Jahren unverändert über dem riesigen Schreibtisch hing. »Oder gib mir zumindest einen kleinen Tipp, und du siehst mich umgehend vor Dankbarkeit überfließen. Dann würde ich auch über drei zusätzliche Ave Marias mit mir reden lassen. Du weißt ja, eine Hand wäscht die andere. Das ist in unserem Club nicht anders als anderswo.«
    Der Father lächelte den Heiland verschmitzt an. »Nein, nicht? Gut, dann muss ich es eben weiterhin selbst erledigen. Sei aber versichert, dass ich es voller Demut tue und dir deine verweigerte Hilfeleistung nicht nachtragen werde.«
    Der Geistliche seufzte. Er durchsuchte das Haus jetzt seit mehr als einer halben Stunde. Aber das goldene Brustkreuz, dem seine Großfahndung galt, weil es ein Andenken an seine früh verstorbene Mutter und damit unersetzlich war, blieb verschwunden.
    Er ließ nachdenklich seine Blicke kreisen. »Wo kann ich's nur verloren haben? Bei der Beerdigung etwa? Kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Aber wo sollte es sonst sein?«
    Der Father beschloss kurzerhand, seinen Schlafanzug gegen den schwarzen Priesterrock einzutauschen und sich hinüber zum Friedhof zu begeben. Er verließ das Pfarrhaus an der 25. Straße und ging an den hübsch renovierten Brownstone-Häusern entlang zum nahen Greenwood Cemetery hinüber. Vom Gowanus Expressway wehten Verkehrsgeräusche herüber. Einige abgerissene Gestalten starrten ihn aus den vielen finsteren Ecken, die es trotz der eng stehenden Straßenlaternen gab, an, ließen ihn aber in Ruhe. Der Senior Pastor wollte es ihnen auch geraten haben. Trotz seines unsportlichen Aussehens war er nämlich ein ganz passabler Kung-Fu-Kämpfer.
    Die Bebauung endete wie abgeschnitten. Über einen schmalen Pfad, der sich bergauf durch dichtes Gebüsch schlängelte, erreichte er den hohen Eisenzaun, der den riesigen Friedhof umgab. Er belächelte zum wiederholten Male das selbst gemalte Schild, das irgendein Witzbold vor einigen Tagen direkt neben der kleinen Seitenpforte aufgehängt hätte. Beware of Zombies stand darauf - Hütet euch vor Zombies.
    Father Rempel stand mit beiden Beinen fest auf der Erde. Es gab Dämonen und anderes Höllengezücht, natürlich. Schon Jesus hatte einst Dämonen ausgetrieben, und diese heilige Mission an seine legitimen Nachfolger übertragen. Bis heute trieb die katholische Kirche nach den im Rituale Romanum festgeschriebenen Riten unreine Geister aus.
    Rempel hätte sich auch gerne zum Exorzisten weihen lassen. Doch bis heute lehnte dies die Kirche ab, obwohl er die starke Kraft in sich spürte, Satans Armeen mit der Macht des Kreuzes und seinem tiefen, lodernden Glauben entgegenzutreten.
    Ja, die Existenz des Bösen ließ sich nicht leugnen. Sie war so real wie er selbst. Aber Zombies gehörten nun wirklich nicht dazu. Wenn die Teuflischen auftraten, taten sie dies nicht so unübersehbar plump, sondern sehr viel raffinierter…
    Der Senior Pastor schaute zum Himmel empor, dorthin, wo er Gott vermutete. Der fast volle Mond schien durch die vielfach verzweigten Äste der mächtigen, alten Bäume. Geheimnisvoll leuchtende Wolkenfetzen jagten am Erdtrabanten vorbei. Rempel fröstelte ob des eisigen Windes, der sich in den Büschen verfing und sie geheimnisvoll rauschen ließ. Ein Ast knackte ganz in der Nähe, eine Eule schrie geheimnisvoll. Rempel kannte all diese Geräusche und erschrak darob nicht. In diesem Moment durchströmte den Father das warme Gefühl, irgendwann seine Chance eines direkten Kampfes gegen die Vasallen des Widersachers zu bekommen. Irgendwann…
    Er betrat die riesige Nekropole. Ein gut vier Meter großer Engel aus weißem, geheimnisvoll im Mondlicht leuchtendem Marmor, mit zornigem Blick, behelmtem Kopf und einem Speer in der wurfbereiten Rechten war das erste Monument, auf das Rempel stieß. Er ging durch die riesige, nach englischem Vorbild angelegte Parklandschaft, unter hohen, alten Bäumen hindurch, an Hecken und Seen vorbei. Dicht besetzte Grabfelder wechselten mit einsam stehenden Grüften in Pyramiden- und Tempelform, die von Löwen, Fabelwesen und Heiligenfiguren bewacht wurden. Urplötzlich öffnete sich der Blick über den weiten Hafen hinweg auf die atemberaubende Skyline Manhattans, die im Glanz von Millionen Lichtern erstrahlte. Das dumpfe Tuten einer
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