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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund
Autoren: Martin Suter
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Reisetasche gepackt, die man auch als Rucksack tragen konnte. Sein bevorzugtes Gepäckstück, wenn er auf Reportage war. Er trug ein kurzärmeliges Hemd, eine leichte Baumwollhose und eine Baseballmütze, um die rasierte Stelle auf dem Kopf zu verbergen. Er hatte sich nicht zum modischen Millimeterschnitt durchringen können, zu dem ihm der weißblonde Pfleger geraten hatte. Fabio mochte seine Haare. Sie waren dick und kupferrot wie die seiner Mutter und der meisten Mitglieder ihrer Familie.
    Um acht Uhr hatte er sich mit Marlen in der Cafeteria der Klinik verabredet. Aber schon um halb sieben saß er an einem der Kunststofftische, vor sich einen Espresso. Vielmehr das, was einem ausgehändigt wurde, wenn man am Tresen einen Espresso verlangte: die gleiche bittere, dünne Brühe, die sie hier als Kaffee verkauften, einfach in einer kleineren Tasse.
    Ein Mann am Nebentisch trug den linken Arm auf die Brust fixiert und den rechten so geschient, als würde er ständig die Augen gegen die Sonne abschirmen. Seine Frau flößte ihm Fruchtsaft ein und redete dazu ohne Punkt und Komma.
    Die Cafeteria war gut besucht. Gebrechliche Männer in sportlichen Trainingsanzügen, bleiche Frauen in wattierten Morgenröcken, Patienten in Rollstühlen, an Krücken oder mit ihren fahrbaren Infusionsständern im Schlepptau. Besucher und Angehörige, manche bedrückt, manche betont zuversichtlich. Ein Geräuschteppich aus Geschirrgeklapper und gedämpften Stimmen. Ein Geruch nach Krankenhaus und Milchkaffee.
    Fabio hielt es nicht mehr aus. Er nahm seine Tasche vom Stuhl gegenüber und ging hinaus.
    Draußen kündigte sich ein weiterer schwüler Sommertag an. Ein Mann in einem ärmellosen Netzhemd fuhr einen roten Aufsitzmäher über den Rasen des Klinikparks. Die rollstuhlgängigen Parkwege waren leer bis auf zwei eilige Krankenschwestern.
    Fabio setzte sich auf eine Bank. Es roch nach frischgemähtem Gras und den Abgasen des Rasenmähers. An einem Fenster tauchte eine weiße Gestalt auf und ließ einen Store herunter.
    Fabio kam sich vor wie ausgesetzt an einem fremden Ort.
    Der Weg zurück war abgeschnitten durch eine Kluft von fünfzig Tagen und Nächten Nichts.
    Eine junge Frau näherte sich auf dem Weg. Als sie ihn sah, winkte sie und begann zu rennen. Fabio winkte zurück. Er stand auf, nahm seine Tasche und ging ihr entgegen.
    Als er sie erreicht hatte, blieb sie vor ihm stehen. Sie trug ein kurzes Trägerkleid aus schwarzem Le inen und lächelte unsicher.
    Fabio stellte die Tasche ab und schloß sie in die Arme. Zum ersten Mal war er froh, wie war schon ihr Name? zu sehen.
    Marlen steuerte ihren klapprigen 89er Golf Cabrio durch den Morgenverkehr. Sie durchquerte das Zentrum und fuhr in ein für Fabio fremdes Quartier am Stadtrand. Schmale Straßen, gesäumt von Doppeleinfamilienhäusern aus den vierziger und Wohnblöcken aus den siebziger Jahren, Tempo 30. Sie bog in eine Einfahrt, hielt bei einer Konsole und steckte einen Schlüssel in ein Schloß. Ein graues Tor öffnete sich, sie fuhren in eine Tiefgarage.
    Die meisten der etwa zwanzig Plätze waren leer um diese Zeit und gaben den Blick frei auf Winterreifen, Gepäckträger, Schlitten, Teppichrollen, Gestelle, Altpapier und allerlei anderes Gerümpel.
    Marlen parkte den Wagen. An der Wand vor der Stoßstange lehnten zwei Fahrräder.
    »Mein Fahrrad«, sagte Fabio verwundert.
    »Wird Zeit, daß es bewegt wird«, antwortete Marlen.
    Die Wohnung lag im zweiten Stock. Der größte Raum war eine Wohnküche. Eine Frühstückstheke trennte den Wohnteil vom kleinen Küchenteil. Dieser bestand aus einem Spülbecken, einem Herd mit drei Platten, einem Kühlschrank und ein paar kleinen Schränken. Im Wohnzimmer standen ein Ledersofa und ein Sessel. Eine Glastür führte auf einen kleinen Balkon mit einem Gartentisch und zwei Stühlen und ein paar Topfpflanzen. Von dort aus überblickte man einen Rasen mit einem Kinderspielplatz und den Garten des angrenzenden Doppelhauses.
    Das Fenster zum Balkon war von einem Stahlrohr-Schreibtisch mit schwarzer Tischplatte verstellt. Darauf standen ein Printer und ein schwarzes Powerbook. Davor ein Lederstuhl auf Rädern, ebenfalls in Schwarz. Alle vier Gegenstände stammten aus Fabios Besitz.
    Das Schlafzimmer ging auf den schmalen Vorgarten und die Straße hinaus. Es wurde von einem Doppelbett und einem weißen Lamellenschrank eingenommen, der fast bis zur Decke reichte. Marlen öffnete eine der fünf Schranktüren. Fabio erkannte ein paar seiner
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