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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund
Autoren: Martin Suter
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Dolcefarniente-Yvonne die Situation zu erklären, die Rechnung zu bezahlen und sie um Diskretion zu bitten.
    »Wer kommt noch?« fragte er Lucas, als er sich zu ihm an den Tisch setzte.
    »Niemand, ich wollte nur keinen Zweiertisch.«
    »Warum bestellst du dann nicht für vier?«
    »Wirkt unglaubwürdig, wenn gleich zwei nicht erscheinen.«
    Lucas bestellte das gleiche, was Fabio gegessen hatte: Menü zwei, Tomaten-Mozzarella und danach Schwertfisch vom Grill. Fabio bestellte einen großen gemischten Salat. »Zu heiß zum Essen«, gab er als Begründung an.
    Lucas Jäger und er hatten sich vor zehn Jahren in der Journalistenschule kennengelernt. Lucas war damals vierundzwanzig und hatte bereits zwei Jahre als Lehrer gearbeitet. Fabio war ein Jahr jünger und hatte - sehr zum Kummer seines damals schon kränkelnden Vaters - das Germanistikstudium abgebrochen. Er war ein talentierter Schreiber und hatte noch vor Uniabschluß ein Angebot als Reporter einer großen Tageszeitung bekommen. Nicht sehr gut bezahlt zwar, aber mit der Möglichkeit, sein Talent zur Geltung zu bringen. Lucas ging das Schreiben weniger leicht von der Hand. Was ihm an Talent fehlte, mußte er mit Fleiß wettmachen. Er kam bei einer Lokalzeitung unter. Erst vier Jahre später und auf Empfehlung von Fabio kam er zum neu gegründeten SONNTAG-MORGEN. Seither arbeiteten sie Tisch an Tisch im gleichen Großraumbüro. Lucas als zuverlässige Kraft und zäher Rechercheur, Fabio als Spezialist für literarisch eingefärbte Reportagen.
    Lucas war nicht nur ein treuer Freund, sondern auch ein großer Fan von Fabio. Er bewunderte ihn für alles, was ihm selbst abging: sein Schreibtalent, seine Lockerheit, sein Selbstvertrauen, seine Freundin. Fabio neigte manchmal dazu, Lucas' Hingabe auszunützen. Es kam oft vor, daß Lucas für ihn als Rechercheur die Fleißarbeit machte, aber nicht oft, daß er dafür im Artikel erwähnt wurde. Dafür ging er in der Zeit, als Norina und Fabio zusammenwohnten, als Hausfreund ein und aus. Er spielte diese Rolle gerne und stand Norina bereitwillig als Kinobegleiter, Gesellschafter, Chauffeur und Handyman zur Verfügung, wenn Fabio unterwegs war.
    Die Kellnerin brachte die Salate. »Danke, Yvonne«, sagte Fabio.
    »Guten Appetit«, wünschte sie im Weggehen.
    »Willst du wissen, wie ich mir ihren Name n gemerkt habe?« Fabio erklärte es ihm.
    »Und wie merkst du dir Marlen?«
    Fabio überlegte. »Eine Laterne. Darunter steht sie. Wie einst Lili Marlen.«
    Lucas aß wie ein Feinmechaniker. Er richtete das Stück Mozzarella auf die Mitte der Tomatenscheibe aus, zent rierte das Basilikumblatt, führte mit dem Messer einen chirurgischen Schnitt genau durch die Mitte und aß die beiden exakt ausgewogenen Hälften mit Bedacht.
    Fabio stocherte in seinem gemischten Salat und beobachtete sein Gegenüber. »Weißt du, wo Norina steckt?« fragte er. »Ich kann sie nirgends erreichen, und sie ruft nie zurück.«
    Lucas kaute. Nach Fabios Eindruck länger als nötig.
    »Vielleicht will sie nicht erreicht werden«, antwortete er schließlich.
    »Hat sie das gesagt?«
    Lucas zuckte die Schultern. »Eine Vermutung.«
    »Ach, komm, Lucas, rück schon raus.«
    Yvonne räumte Lucas' leeren Teller weg und brachte den Fisch. Fabios Salat ließ sie stehen.
    Lucas begann die Haut von seinem Schwertfischsteak zu entfernen.
    »Sag schon«, forderte ihn Fabio auf.
    Lucas schob die Fischhaut an den Tellerrand und löste die Filets von der Mittelgräte. »Norina möchte nicht mit dir sprechen. Es tut ihr leid, was dir zugestoßen ist, aber sie möchte dich nicht sehen. Noch nicht. Sie braucht mehr Zeit.«
    »Das läßt sie durch dich ausrichten?«
    Lucas spießte die halbe Zitrone auf die Gabel und drückte sie über dem Fisch aus. Dann schob er den ersten Bissen in den Mund und kaute, kaute, kaute.
    »Knallhart«, sagte Fabio.
    Lucas sah aus, als wollte er widersprechen, entschied sich dann aber fürs Weiterkauen.
    »Ich kann ja akzeptieren, daß sie mich nicht mehr liebt. Aber einem, mit dem man drei Jahre gelebt hat, zu helfen, seine Amnesie zu überwinden, hat nichts mit Liebe zu tun. Nur mit Nächstenliebe.«
    »Laß ihr Zeit.«
    »Hat sie erwähnt, wieviel?« wollte Fabio wissen. »Tage? Wochen? Monate? Jahre?«
    Lucas hob die Schultern und schob einen Bissen Fisch nach. Fabio gab auf. »Wie läuft es in der Redaktion?«
    Lucas war froh um den Themenwechsel. »Wie immer. Nein, stimmt nicht: Rufer hat den Schnurrbart abrasiert.«
    »Auf dem Foto
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