Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
damals haßte ich mich wirklich, oh, ich haßte mich.« Sie zögerte kurz, ihre Augen glänzten vor Tränen. Sie blinzelte heftig, rieb sich rasch mit der Hand übers Gesicht und fuhr fort.
    »Während sich all dies im Tal abspielte, bereiteten Dorothy und Sam für die Woche des Verschwindens ihren Umzug von Consett nach Sheffield vor, so daß die neuen Nachbarn nicht merken würden, daß ich in Wirklichkeit nicht ihre Janis war. Das war 1963 noch ziemlich leicht.« Alison hielt einen Augenblick inne, ihr Blick schien nach innen gerichtet, als suche sie nach dem nächsten Kapitel ihrer tragischen Geschichte.
    »Die glanzvollen Tage der Vollbeschäftigung«, murmelte Tommy.
    »Stimmt. Sam war Facharbeiter in der Stahlproduktion, und es war nicht schwer für ihn, sofort an einem neuen Arbeitsplatz anzufangen. Und damals bekam man das Haus zusammen mit der Stelle«, erklärte Alison.
    »An dem Tag, für den alles geplant war, wartete Sam in seinem Landrover oben bei der Methodistenkirche auf mich. Er fuhr mich nach Sheffield, und ich zog zu ihnen. Sie verbreiteten, ich hätte TB und müßte im Haus bleiben und dürfte nicht unter Leute gehen, bis es wieder gut sei, damit niemand merkte, daß ich schwanger war. Als die Zeit verging, polsterte Dorothy sich aus, so daß sie schwanger aussah.«
    Alison schloß die Augen, und Schmerz verzog ihr Gesicht. »Es war so schwer«, sagte sie und sah Catherine in die Augen. Die Journalistin wandte als erste den Blick ab. »Ich verlor alles. Ich verlor meine Familie, meine Freunde und meine Zukunft. Ich verlor Scardale. Seltsame Dinge geschahen mit meinem Körper, und ich fand es schrecklich. Meine Mutter konnte mich bis nach dem Prozeß nicht einmal besuchen, weil niemand im Dorf die Existenz der Wainwrights bei der Polizei erwähnt hatte, und sie wollte nicht erklären müssen, wohin sie ging. Dorothy und Sam waren wirklich gut zu mir, aber sie konnten nicht ersetzen, was ich verloren hatte. Man hatte mir eingebleut, daß ich um der anderen Kinder in Scardale willen durchhalten müßte; daß wir es taten, damit Hawkin nie wieder ein Kind verletzen konnte, wie er mich verletzt hatte.«
    »Es ist schon irgendwie plausibel«, sagte Catherine€ dumpf.
    Alison nippte an ihrem Tee und erwiderte trotzig: »Ich schäme mich dessen nicht, was wir getan haben.« Weder Tommy noch Catherine sagten darauf etwas.
    Alison strich sich das Haar aus dem Gesicht und fuhr mit ihrer Geschichte fort. »Helen wurde eines Nachmittags im Juni in meinem Zimmer geboren, gerade zwei Wochen vor dem Prozeß des Dreckskerls Hawkin. Sam ließ sie als sein und Dorothys Kind eintragen, und sie zogen sie auf und ließen sie im Glauben, ich sei ihre größere Schwester und Dorothy ihre Mutter. Zwei Jahre vergingen so, dann bekam ich eine Stelle in einem Büro.« Ein ironisches Lächeln erschien zum ersten Mal an diesem Morgen auf ihrem Gesicht. »Bei einem Rechtsanwalt, können Sie’s glauben? Man würde doch denken, ich hätte genug von Jura und Gesetzen gehabt, oder? Jedenfalls ging ich in die Abendschule, um das nachzuholen, was ich in der Schule verpaßt hatte. Ich habe sogar einen Fernkurs mit Abschluß an der Open University gemacht. Ich absolvierte eine Ausbildung in Psychologie und machte mich schließlich selbständig. Und jeder Schritt auf diesem Weg war, als spuckte ich dem Dreckskerl ins Gesicht. Aber es war nie genug, verstehen Sie?
    Meine richtige Mutter kam dann und lebte bei uns, nachdem Hawkin gehängt worden war. Ich war froh darum. Ich brauchte sie wirklich. Sie wollte nicht nach Scardale zurück und richtete deshalb die Treuhandgesellschaft Scardale ein, um das Gut zu verwalten. Aber dieses Haus behielt sie. Sie wußte, daß ich eines Tages würde zurückkehren wollen. Wir weihten Helen nicht in die Verbindung zu Scardale ein. Sie glaubt bis heute, daß Ruth und ihr Mann am Stadtrand von Sheffield gewohnt hatten. Ruth sagte ihr, Roy sei eingeäschert worden, deshalb gebe es kein Grab, das sie besuchen könne. Helen hat das nie angezweifelt.
    Als meine Mutter starb, fiel das Gutshaus an Dorothy unter der Voraussetzung, daß es mir und Helen zustand und auf uns übergehen würde, wenn Dorothy starb. Helen glaubt, ich bin verrückt, in diesem Kaff zu wohnen. Aber es ist mein Zuhause, und es war so lange verloren für mich, daß ich mich jetzt nur daran freuen will.«
    Sie starrte in ihren Tee. »So, jetzt wissen Sie es.«
    Catherine runzelte die Stirn. Sie wußte, es mußte viele Fragen geben, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher