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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit
Autoren: Val McDermid
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Gefühl in bezug auf Hawkin richtig gewesen war. Der Mann war letztendlich doch kein Mörder gewesen.
    Angesichts der niederschmetternden Fotos, die Alison ihnen gezeigt hatte, konnte Catherine sich der Schlußfolgerung nicht entziehen, daß die Dörfler von Scardale das Recht auf ihrer Seite hatten, als sie ihr schläfriges Nest zu einem Ort der Hinrichtung machten. Sie hatten gewußt, daß nur der Tod Hawkin aufhalten und die anderen Kinder retten würde, die er zu sich gelockt und in seine Gewalt gebracht hätte. Selbst wenn sie ihre eigenen Kinder weggeschickt hätten, konnte ihn das nicht am Weitermachen hindern. Er hätte andere Kinder gefunden, die er kaputtgemacht hätte; er hätte sowohl die Macht als auch das Geld gehabt, mit den Zeugen zu tun, was er wollte. Und ihnen wäre sowieso nicht geglaubt worden, auch wenn sie sich zur Aussage hätten überwinden können.
    »Ich hatte nie daran gedacht, daß es noch andere geben könnte«, sagte Catherine bedrückt.
    »Nein.« Tommy wandte sich von den Fotos ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    »Aber ich bringe es nicht über mich, ihnen das vorzuwerfen, was sie getan haben«, sagte Catherine.
    »Ich hätte mir an ihrer Stelle auch nicht lange überlegt, ob ich mitmachen will«, gab Tommy zu.
    »Die schreckliche Ironie ist, daß im Vergleich zu dem, was Alison durchgemacht hat, Philip Hawkins Leiden unverdient kurz war. Sie hat jeden Tag ihres Lebens seit damals damit gelebt. Sie hat so viel verloren, und die Angst hat sie nie verlassen, daß sie eines Tages die Tür öffnen würde und draußen würde jemand stehen wie ich.« Catherine nahm die Whiskyflasche und stellte sie auf den Tisch.
    Sie saßen benommen da und schwiegen wie die Überlebenden eines schrecklichen Unfalls, die noch nicht begreifen können, daß sie das Glück hatten, verschont zu bleiben. Sie waren eine Weile mit ihren Gedanken beschäftigt, bis jeder eine Handvoll Zigaretten geraucht hatte. »George hatte recht«, sagte Catherine endlich. »Ich kann nicht weitermachen mit dem Buch. Sicher, ich würde alle Anerkennung für die Enthüllung bekommen, daß ein so berühmter Fall auf Lügen und Betrug aufgebaut war. Aber ich kann das George und Anne nicht antun. Es ist nicht nur die Schande, die es George bringen würde, sondern der Schmerz, zusehen zu müssen, wie Helen und Paul auseinandergehen würden. Und nicht nur Alison, sondern alle noch lebenden Dorfbewohner von Scardale müßten mit einer Anklage wegen des Komplotts rechnen.« Wie in einer griechischen Tragödie, dachte sie, würden die Nachwirkungen dessen, was in Scardale fünfunddreißig Jahre zuvor geschehen war, das Leben anderer Menschen zerstören, die nichts mit jenem Nachmittag zu tun hatten. Das Leben Unschuldiger wäre zunichte, die es verdienten, vor einer Vergangenheit geschützt zu werden, die nicht ihre Schuld war.
    Tommy trank sein Glas aus und füllte es wieder. »Darauf trinke ich«, sagte er. »Ich glaube, niemand würde Sie deshalb kritisieren.«
    »Sie können morgen früh zu George gehen und es ihm sagen«, war Catherines Antwort.
    »Möchten Sie es ihm nicht selbst sagen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe genug damit zu tun, uns aus dem Vertrag für das Buch herauszukriegen, ohne den wahren Grund anzugeben. Nein, Tommy, sagen Sie es ihm. Es ist nur recht so. Wenn Sie nicht gewesen wären, weiß ich nicht, ob ich jemals herausgefunden hätte, daß Helen Alisons Tochter von Hawkin ist. Und dann hätte ich nicht die Mittel gehabt, sie dazu zu bringen, daß sie mit mir redete. Oder ich hätte keinen Grund gehabt, jetzt zu schweigen. Sie verdienen die Anerkennung.«
    Er lachte. »Anerkennung? Dafür, daß ich diesen Schlamassel aufgedeckt habe? Da passe ich, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Aber ich werde sehr froh sein, George sagen zu können, daß niemand Pauls und Helens Leben zerstören wird. Ich weiß, wieviel ihm das bedeuten wird. Aber die Einzelheiten werde ich ihm ersparen.«
    Catherine griff nach der Flasche. »Das wäre eine gute Idee«, sagte sie und goß sich einen großzügigen Schluck Whisky in ihr Glas. »Und dann würde ich vorschlagen, daß wir alle unser Bestes tun, um zu vergessen, daß es die letzten paar Tage gegeben hat.«

10
    Oktober 1998
    G eorge Bennett sah durch die Windschutzscheibe. Es war spät im Oktober, und die Bäume waren kahl. Er hatte auf einem Weg durch die Felder angehalten, von denen aus man eine gute Sicht auf das Dorf Scardale hatte. Die vertrauten grauen Häuschen
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