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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit
Autoren: Val McDermid
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fertig werden.«
    Ohne um Erlaubnis zu bitten, nahm Catherine ihre Zigaretten heraus und zündete sich eine an. Tommy nahm einen Teller vom Abtropfbrett und brachte ihn ihr. Das füllte das lange Schweigen aus, währenddessen Alison wortlos das Computerbild anstarrte. Ihre Augen waren glasig und glänzten von ungeweinten Tränen.
    »Wir glauben, daß folgendes geschehen ist«, sagte Tommy leise und setzte sich neben sie. »Hawkin hat Sie mißbraucht, und Sie wußten nicht, was Sie tun sollten. Sie hatten Angst, was passieren könnte, wenn Sie es Ihrer Mutter sagten. Das ist bei den meisten Kindern so. Sie hatten bereits miterlebt, wie sie ihren ersten Mann verlor, und Sie hatten Angst, sie würde den gleichen furchtbaren Kummer noch einmal erleben, wenn Sie sie zwängen, zwischen Hawkin und Ihnen zu wählen. Dann wurden Sie schwanger. Und Ihrer Mutter wurde klar, was geschehen war.«
    Alison nickte fast unmerklich. Eine einzelne Träne rollte vom rechten Auge über die Wange herunter. Sie machte keine Anstalten, sie abzuwischen.
    »Also hat sie Sie weggeschickt, damit Sie bei Ihrer Tante und dem Onkel wohnten, und sagte Ihnen, von jetzt ab müßten Sie Janis sein«, fuhr Tommy fort. »Und dann hat sie ihm eine Falle gestellt. Mit der Information, die Sie ihr gaben, konnte sie es so einrichten, daß George Bennett über die Hinweise stolperte, die sie ausgelegt hatte. Sie fand sogar heraus, wo er die Fotos aufbewahrte. Und in der ganzen Zeit schwiegen Sie. Sie ertrugen die schreckliche Zeit einer Schwangerschaft, die Sie nicht wollten, Sie verloren Ihre Kindheit und jede Chance auf Glück, die Sie je gehabt hatten. Sie durften nicht einmal Ihre Tochter als Ihr eigenes Kind aufziehen. Jahrelang waren die Opfer erträglich, weil sie bedeuteten, daß Sie sich alle wieder einem normalen Leben annäherten. Und jetzt ist wegen eines entsetzlichen Zufalls, weil Paul Helen kennenlernte und sich in sie verliebte, alles auf tragische Weise schiefgegangen.«
    Alison sog zitternd die Luft ein. »Sie scheinen alles ohne meine Hilfe herausbekommen zu haben«, sagte sie unsicher.
    Tommy legte eine Hand auf ihren Arm. »Wir haben recht, nicht wahr?«
    »Nein, Tommy«, warf Catherine ein, scheinbar ungerührt von dem erschütternden Geschehen, das sich vor ihr abspielte. »Es gibt noch etwas. Bevor wir hierherkamen, dachten wir, das sei die ganze Geschichte, aber so ist es nicht, oder? Sie haben sich verraten, Alison, als Sie sagten, es seien nicht nur Paul und Helen, deren Leben zerstört würde. Es gibt da noch etwas, und Sie werden es uns erzählen.«
    Alison schaute Catherine an, ihre Augen waren dunkel vor Zorn. »Sie irren sich. Es gibt nichts mehr zu erzählen.«
    »Oh, ich glaube doch. Und ich denke, Sie werden es uns auch sagen. Denn so wie die Dinge jetzt stehen, bin ich nicht auf Ihrer Seite. Sie und Ihre Mutter haben Philip Hawkin ermordet. Es war keine spontane, unmittelbar durch Provokation ausgelöste Tat. Es nahm Monate in Anspruch, bis es erreicht war, und Sie beide schwiegen die ganze Zeit. Sie haben Ihre Rache ganz schön ausgekostet. Aber ich sehe keinen Grund, warum Sie vor den Konsequenzen dessen, was Sie getan haben, geschützt werden sollten. Wenn Sie das Risiko vermeiden wollten, Helens Leben zu zerstören, hätten Sie ihr vor Jahren schon die Wahrheit sagen sollen«, rief Catherine mit zorniger Stimme. Sie war entschlossen, sich nicht von Alisons Schmerz ablenken zu lassen, ganz gleich, wie echt er war. »Jetzt haben Sie nur erreicht, daß Sie das Leben eines anderen Mannes, eines guten Menschen, aufs Spiel gesetzt haben, alles nur deshalb, weil Ihre Mutter nicht den Mut hatte, Philip Hawkin mit erhobenem Haupt entgegenzutreten.«
    Alison blickte auf. »Sie verstehen überhaupt nichts, verdammt noch mal«, sagte sie bitter. »Sie haben keinen Schimmer, wovon Sie reden.«
    »Dann helfen Sie mir, es zu verstehen«, forderte Catherine sie heraus.
    Alison starrte Catherine lange und durchdringend an, dann stand sie auf. »Ich muß nur etwas holen. Keine Angst«, fügte sie hinzu, als Tommy seinen Stuhl zurückschob, »ich laufe nicht weg und tue nichts Unüberlegtes. Aber es gibt etwas, das ich Ihnen zeigen muß. Wenn ich Ihnen dann sage, was wirklich passiert ist, werden Sie mir vielleicht glauben.«
    Sie verließ die Küche, und Tommy und Catherine sahen einander an und fragten sich, was als nächstes kommen sollte.
    »Sie sind ein bißchen zu streng mit ihr«, sagte Tommy. »Sie hat Höllenqualen ausgestanden.
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