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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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war - fühlte mehr, fühlte fremd, fühlte Außergewöhnliches. Seit ich den Ort betreten hatte, arbeitete es in mir. Lediglich auf dem Steinbett hatte ich den Eindruck gehabt, dass dieses Arbeiten unterbrochen war.
    Wie aus heiterem Himmel erklang eine Männerstimme über uns. Ich erschrak und wendete meinen Kopf. Es war nicht so dunkel, dass ich Manuel, Estibaliz' Ehemann, nicht hätte erkennen können. Er hatte anscheinend eine wichtige Nachricht für seine Frau. Einige Meter über uns auf dem Felsen stehend, wirkte er überdimensional groß. Nach wenigen Minuten verschwand er wieder. Gina sagte uns, dass irgendetwas mit einem Gast zu klären war. Ich fühlte, dass für mich die Zeit gekommen war, den Ort zu verlassen, und teilte dies Gina und Hansi mit. Wir verabschiedeten uns von Hansi, gingen zum Wagen, stiegen ein und machten uns auf den Rückweg.
    Während der Fahrt redete niemand. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie spät es war. Fragte auch niemanden nach der Uhrzeit. Meine Gedanken waren bei Hansi. Jean, die neben mir saß, nahm ich nicht wirklich wahr. Meine Gefühle waren in Aufruhr. Mir war nach einem Beruhigungsmittel, deshalb hegte ich die Hoffnung im Ancora noch ein Bier zu bekommen. Ich wunderte mich, als Gina ihren Wagen neben dem Hotel parkte. Beim Aussteigen fühlte ich ein Ungleichgewicht in meinem Körper. Manolo stand hinter der Theke. Ich bestellte drei Bier. Estibaliz blieb nicht lange. Die Wirkung des Biers beruhigte mich. Kurz nach Mitternacht verriet Jean uns, dass sie Geburtstag hatte. Wir sangen Happy Birthday und tranken ein weiteres Bier. Dann verschwand auch Gina. Ich war noch nicht müde und gab Jean zu verstehen, dass ich einen Spaziergang zum Hafen unternehmen möchte. Sie schloss sich mir an, weil ihr Hotel mit dem Namen Finisterre auf dem Weg lag.
    Es war noch immer angenehm warm. Wenige Minuten brauchten wir, bis Jean vor der Eingangstür des Hotel feststellte, dass sich ihr Schlüssel im Hotel und nicht in ihrer Hosentasche befand. Sie betätigte die Klingel. Nichts rührte sich. Sie versuchte es erneut, ein drittes und viertes Mal. Die Hoteltür blieb verschlossen. Jeans Cousine Helen scherzte später, dass wahrscheinlich Tausende von Engeln die Tür zugehalten hätten.
    Ich sagte zu Jean, dass sich in meinem Zimmer zwei Betten befänden und sie gerne dort übernachten könne. Unter Pilgern war es schließlich üblich, dass Männer und Frauen in Betten übernachteten, zwischen denen keine große Distanz vorhanden war, und nicht gleich übereinander herfielen. Jean bedankte sich und war froh ein Bett für die Nacht zu haben. Wir gingen die Straße hinunter, erreichten das Hafenbecken. Das Meer war flach wie ein Spiegel. Es war windstill. Wie von selbst fanden sich unsere Hände. Als wenn es das Normalste auf der Welt wäre, gingen wir händchenhaltend im Hafen spazieren. Jean blieb stehen, wir sahen uns tief in die Augen, unsere Münder näherten einander, dann küssten wir uns. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Wir lösten uns, schlenderten an Menschen vorbei, die rauchend ihre Angelruten ins Wasser hielten, bis ans Ende der Hafenmauer, stiegen die Treppen hinauf, von wo wir einen fantastischen Ausblick aufs schwarze Meer und den Sternenhimmel hatten.
    Eine berauschende Nacht. Jean gab mir zu verstehen, dass sie ursprünglich an diesem Tag nach Santiago zurückreisen hatte wollen, weil ihre Eltern ihr als Geburtstagsgeschenk im Parador-Hotel ein Zimmer hatten reservieren lassen. Ein wertvolles Geschenk, wie ich fand. Die unzähligen Sterne am Firmament schienen mit ihrem Strahlen, der Besonderheit dieser Nacht noch etwas ganz Spezielles beifügen zu wollen. »That is your Parador«, sagte ich zu Jean und wies auf den Sternenhimmel. Wir sahen uns lange in die Augen und verloren uns darin. »You are my birthday present«, sagte Jean und küsste mich. Ich fühlte mich gut als Geburtstagsgeschenk. Unsere Küsse wurden heftiger, inniger. Mein Blut geriet in Wallung. Ich fragte Jean, was sie davon halten würde, zum Hotel zu gehen. Je näher wir dem Ancora kamen, desto aufgeregter wurde ich. Dann standen wir vor der Zimmertür. Ich schloss die Tür auf.
    Mitten in der Nacht weckte mich mein starker Husten. Ich drehte meinen Kopf und schaute in Jeans Gesicht. Sie sah wunderschön aus. Selten hatte ich so ein schönes Gesicht gesehen. Wie eine Göttin sah sie aus. Ich schmiegte mich wieder an sie. »Ich sehne mich nach der Wärme einer Frau«, hatte ich am Strand zu Hansi gesagt.
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