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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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ereignete. Es war ebenfalls kein Zufall, dass an diesem Abend ausgerechnet wir vier am Tisch saßen. Gina zeigte uns mit ihren geschickten Händen, wie wir an das köstliche Fleisch der Meerestiere gelangen konnten. Zu unserem Gala-Dinner servierte Estibaliz einen vorzüglichen Weißwein.
    In jenen Stunden geschah etwas für mich Atypisches. Jeans Gesicht war mir nicht wirklich bewusst. Das war umso ungewöhnlicher, weil ich ein fotografisches Gedächtnis hatte. Namen vergaß ich schnell wieder. Gesichter wurden normalerweise von meiner Wahrnehmung sofort gespeichert. Bei Jean war es anders. Ich verstand ebenfalls nicht, warum Jean sich nicht von unserer festlichen Platte bediente. Hansi und ich fragten sie öfters, ob sie von den Meeresfrüchten haben wolle, doch sie verneinte. Als wir gesättigt, die Meeresfrüchteplatte geleert war, stellte uns Estibaliz eine riesige Platte mit frischem Fisch und Kartoffeln auf den Tisch. Es war nicht zu fassen. Den angebotenen Nachtisch lehnten wir dankend ab.
    Hansi fragte mich nach dem Essen erneut, ob er den Flug buchen solle. Mein Gefühl sagte mir, nein, obwohl ein absolutes Unverständnis in diesem Nein war. Zugleich dachte ich, dass mir nichts Besseres widerfahren könne, als mit Hansi nach Hause zu fliegen. Hansi wunderte sich über mein Nein, akzeptierte es jedoch. Estibaliz ließ über Gina ausrichten, ob wir uns einen besonderen mystischen Ort ansehen möchten, der sich auf der Spitze eines Berges, oberhalb von Finisterre befände. Dort habe im siebten Jahrhundert San Guillermo, ein Mönch, in einer Höhle gelebt. Hansi entschloss sich spontan dort zu übernachten. Zwanzig Minuten später saßen wir in Ginas Wagen auf dem Weg zu dem heiligen Ort. Ich wusste zwar nicht genau, was da mit mir geschah, doch es fühlte sich spannend an. Neben Gina saß Estibaliz, Hansi und ich mit Jean in unserer Mitte auf der Rückbank. Hansi übersetzte, was Jean aus ihrem Leben erzählte. Sie half ihrer Freundin Lorna Byrne ein Buch zu schreiben. Es handelte sich um Lornas Lebensgeschichte. Lorna konnte schon seit Kindesbeinen an Engel sehen, die ihr wichtige Botschaften für die Menschen übermittelten und oft eine wesentliche Hilfestellung für sie waren. Der Titel lautet »Angels in my Hair«. Wir fuhren Richtung Cap Finisterre. Gina bog rechts ab auf eine kleine asphaltierte Straße, die steil bergauf führte. Meine Anspannung wuchs. Die Scheinwerfer erhellten den Weg. Ich erschrak, als Gina abrupt auf die Bremse trat. Wir stiegen aus. Hansi nahm seine Sachen aus dem Kofferraum. Glücklicherweise hatten wir zwei Taschenlampen, die auf dem holprigen Weg unentbehrlich waren. Nach wenigen Minuten erreichten wir einen Felsen, der die Form einer Riesenschildkröte hatte. Estibaliz stieg als Erste die wenigen Steinstufen zur Höhle hinunter, vor der sich das Steinbett befand. Meine Nackenhaare sträubten sich. Vom ersten Augenblick an war mir bewusst, dass es sich um einen ganz besonderen Ort handelte.
    Estibaliz legte sich als Erste aufs Bett. Minuten später folgten Gina und Hansi ihrem Beispiel. Das Ganze hatte etwas Mystisches. Ich überlegte, es ihnen gleich zu tun. Schließlich wusste ich nicht, was mich erwartete. Jean legte sich aufs Bett, schloss ihre Augen. Ich betrachtete sie, die lange auf dem Bett liegen blieb. Als sie aufstand, legte auch ich mich aufs Bett, schloss meine Augen und fühlte einen Frieden in mir, der sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Es war so ein wohltuendes, schönes Gefühl, dass ich hätte liegen bleiben können. Hansi, der sich nun energischer mit Gina unterhielt, holte mich in die Gegenwart zurück. Ich stand auf, und rieb mir die Augen. Jean befand sich in meiner unmittelbaren Nähe. Estibaliz war mit Gina und Hansi in ein Gespräch vertieft. Mich fesselte die nächtliche Aussicht auf Finisterre, den Hafen, das Meer und die Costa Celta. Etwas Spezielles, Unerklärliches lag an diesem Ort verborgen. Ich bekam den Eindruck, dass sich Rätselhaftes ereignete, ja ereignen musste. Da war eine Verbindung zwischen uns Fünfen. War es Vergangenes, was uns verband? Stammte unsere Verbindung aus einem früheren, vergangenen Leben? Gab es gar eine Verbindung zum Heiligen Guillermo, der hier gelebt hatte? Fragen, die mir niemand beantworten konnte. Dass der Jakobsweg seine eigenen Gesetze innehatte, wusste ich mittlerweile. Finisterre war das endgültige Ende des Jakobsweges und ein kraftvoller Ort. Ich sprach nicht viel, was für mich eher ungewöhnlich
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