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Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall

Titel: Brahmsrösi: Fellers zweiter Fall
Autoren: Stefan Haenni
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Prolog
    »He da! Was soll das?«
    Der rohe Klang der eigenen Stimme überrascht mich. Ich töne wie ein Schroter, ein bernischer Gesetzeshüter, entschlossen, die öffentliche Ordnung notfalls auch mit ganzer Überzeugungskraft und halbem Monatslohn zu verteidigen.
    Gerade noch habe ich gutgelaunt und einigermaßen breit die Thuner Freienhofbar verlassen. Mit unsicherem Schritt habe ich die Sinnebrücke überquert. Dabei ist mir lautes Grölen und Lachen aus Richtung Lauitor aufgefallen. Auf der Höhe des Plätzlis neben der Konditorei Reber bietet sich mir danach ein seltsamer Anblick.
    Ich bleibe neugierig stehen. Nur das fahle Licht einer mückenumschwirrten Straßenlampe erhellt die nächtliche Szenerie. Am gespenstischen Himmel sehnt sich ein Stück Mond nach seiner ganzen Fülle. Vor einem Musikgeschäft steht ein zirka 18-jähriger Bursche mit nacktem Oberkörper und hält zweihändig ein kleines Gerät in Augenhöhe, vermutlich sein Handy. Er filmt eine Gruppe von drei Kollegen, die auf der andern Straßenseite herumlungern. Was haben die vor?
    Einer der Jungen stellt einen prallen, kugelrunden Kehrichtsack wie einen Fußball zum Abschuss bereit.
    »Nein, warte. Da schleicht eine Karre«, ruft ihm der Filmer zu.
    Rasch nähert sich das Scheinwerferlicht eines Autos, das danach schwungvoll in den Verkehrskreisel einschwenkt und Richtung Spital abbiegt.
    »Jetzt!«, kommandiert ein schlaksiger Lümmel.
    Der designierte Schütze zögert. »Nein, es kommt noch was.«
    Ein dunkelblauer Peugeot mit Abblendlicht rollt vorbei.
    »So, aber jetzt. Abschuss!«
    Unter lautem Johlen fliegt das Paket zehn Meter quer über die Straße einem offenen Kehrichtcontainer entgegen.
    »Treffer!«, kommentiert der Handyman trocken.
    »Jep!«, meint der Schütze. Seine Kollegen applaudieren.
    »Geil. Voll in die Kiste«, rühmt ein anderer und will es auch versuchen.
    Ein nächstes Wurfgeschoss wird entwendet und zwischen zwei vorbeifahrenden Autos schwungvoll Richtung Ziel spediert. Das verfehlt es um Haaresbreite. Vermutlich wird dieser Bubenstreich schon morgen auf YouTube zu bestaunen sein. Ich nehme mir vor, genau das zu Hause zu überprüfen.
    »Shit, daneben«, tönt der Schütze und fragt hoffnungsvoll: »Hat’s noch einen?
    »Da, der Letzte, du Sack.«
    Erneutes Gegröle. Kurz darauf durchquert ein Plastikgeschoss in klassischer Sinuskurve die laue Sommernacht. Beim Aufprall platzt es an der Außenwand des anvisierten Metallbehälters. Der Kehricht verteilt sich dabei in alle Himmelsrichtungen. Stinkende Küchenabfälle, gepresste PET-Flaschen, zerknüllte Papiere und verbeulte Büchsen übersäen das Trottoir auf einer Länge von drei Metern.
    Das ist der Augenblick, in dem ich mit möglichst bedrohlicher Stimme mein »He da!« erschallen lasse. Ich mobilisiere ein Quäntchen Zivilcourage und mische mich ein. Auf die Gefahr hin, die Fresse poliert zu kriegen. Man liest diesbezüglich erschreckende Berichte. Die niederschwellige Aggressionsbereitschaft von Jugendbanden schockiert.
    Die überraschten Nachtbuben halten kurz inne und wenden sich zu mir. Leider erkenne ich von hier aus keines ihrer Gesichter. Alle vier tragen Baseballcaps, schräg und tief in die Stirn gerückt. Sie sehen damit ziemlich verwegen aus. Spontan traue ich den Unbekannten böses zu. Habe ich möglicherweise die gesuchten Täter vor mir, die dem Rathauswirt eine Hauswand vollgesprayt haben?

     

1
    Nur das eine brauche ich jetzt.
    Die Muße, auf einer der besonnten Holzbänke an der gemächlich dahinfließenden Aare mein Leibblatt zu lesen. Dabei interessieren mich folgende Fragen: Werden neue Vandalenakte vermeldet? Gibt es frische Graffiti? Sind wieder Denkmäler beschädigt worden? Hat die Bronzeplastik des Fulehung auch noch ihr zweites Horn eingebüßt?
    Aufmerksam prüfe ich den Regionalteil des Thuner Tagblatts. Prompt werde ich dabei gestört. Kaum habe ich mich nämlich gesetzt und die Zeitung aufgeschlagen, rattert ein orangefarbener Kleintransporter heran. Wenige Meter von mir entfernt stoppt der kleine Stinker. Es entsteigen ihm zwei blaugewandte Stadtgärtner mit leuchtorangen Beinstulpen. Der eine wirkt behäbig. Er scheint den Vorarbeiter zu mimen, auch vom Alter her. Beim andern dürfte es sich um seinen Lehrling handeln. Noch keine 20, der Stift. Unter langen blonden Stirnfransen lugen sanfte Augen mit einem Blick für zarte Pflänzchen und herbe Unkräuter hervor.
    Der Alte greift mit Zeitlupengeschwindigkeit in die rechte
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