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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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konzentrierten, läuteten die Glocken. Ich schaute auf meine Uhr. Punkt Zwölf. Ich musste lachen. Ein Zeichen? Eine Antwort? Als die Sonne immer heftiger brannte, ging ich zum Hotel und gönnte mir ein Bad. Mein Husten wurde intensiver, schmerzte in meiner Brust. Während des Bades fand ich den Gedanken, nach Finisterre umzusiedeln, nicht schlecht. Gibt es einen besseren Ort zum Leben ?
    Am Folgetag machte ich die Bekanntschaft mit Gina aus Madrid, die im Ancora Urlaub machte, Übersetzerin war und gut deutsch sprach. Hansi, der von Muxía zurück war und seine Zelte ebenfalls im Ancora aufgeschlagen hatte, gesellte sich während des Gesprächs zu uns und teilte mir mit, dass Bernd und Yajaira um die Mittagszeit Finisterre erreichen würden. Wir beschlossen ihnen eine Überraschung zu bereiten.
    Im Restaurant am Hafen, wo wir uns zum ersten Mal begegnet waren, setzten wir uns an einen Tisch, der von außen uneinsehbar war. Ich war aufgeregt. Minuten später erhielt Hansi eine SMS.
    »Wir sind einen Kilometer von Finisterre entfernt.« Hansi antwortete: »Erwarte euch mit meinem Bruder am Hafen«, verließ das Lokal und setzte sich in zehn Meter Entfernung an das Denkmal, so dass Bernd und Yajaira ihn nicht übersehen konnten. Durch ein Seitenfenster konnte ich alles beobachten. Ich bestellte ein Glas Wein.
    Als Hansi aufstand, schlug mein Herz schneller. Nun sah ich, wie Bernd und Yajaira mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugingen. Nachdem sie sich umarmt hatten, kamen sie aufs Restaurant zu. Mein Herz machte Anstalten, aus meinem Körper herauszuspringen. Als sich unsere Blicke trafen, schossen Tränen in meine Augen. Ich nahm Yajaira in meine Arme. Wir sagten nichts. Dann drückte Bernd mir fast sämtliche Rippen ein vor Freude. Er fand als erster seine Sprache wieder. »Ja, Mano! Mit dir haben wir nun wirklich nicht mehr gerechnet. Minuten zuvor haben wir noch von dir gesprochen.«
    Wir setzten uns und bestellten Bier.
    »Die Überraschung ist euch gelungen«, lachte Yajaira.
    »Wir haben lange überlegt, wie wir euch überraschen sollen und einige Pläne geschmiedet«, erwiderte ich. Wir lachten und überließen Hansi die Bestellung der Speisen. Hansi zeigte mir ein Bild von seiner schönen blonden Frau und ihren hübschen Kindern. Als Bernd zu Hansi sagte, was für ein wundervoller Mensch er sei, hielt dieser sich die Hände vors Gesicht. Es waren Stunden tiefster Gefühle. Yajaira erzählte von einem Pilger, der die Asche seines Bruders am Cap Finisterre beigesetzt hatte. Ich musste an Angelika und Bali denken. Heute, am 7. Juni, war ihr Geburtstag. Am späten Nachmittag gingen wir zum Ancora, wo Hansi ein Zimmer für seine Freunde hatte reservieren lassen. Auch Bernd und Yajaira brauchten nicht lange, um mit der Ancora-Familie Freundschaft zu schließen. Mit ihren ausgezeichneten Spanischkenntnissen führten sie rege Konversation. Ich begab mich auf mein Zimmer und las in meinem Buch. Zur Essenszeit ging ich in den Speisesaal, wo ich mit Gina, Yajaira, Bernd und Hansi gemeinsam das Essen einnahm. Anschließend fuhr Gina uns mit ihrem Wagen zum Cap, damit wir noch rechtzeitig den Sonnenuntergang verfolgen konnten. Mit Wein, Chips, Nüssen und Plastikbechern gingen wir vom Parkplatz zu einem Felsen, auf dem Gina eine Decke ausbreitete. Es war noch angenehm warm. Als die rotglühende Sonne langsam im Meer versank, war es ruhig, niemand sprach. Sonnenuntergänge am Cap sind einzigartig. Die andächtige Stimmung schien die Luft und den weiten Atlantik erfüllt zu haben. »Da! Schaut mal!«, rief Bernd aufgeregt und drückte immer wieder auf den Auslöser seiner Kamera. »Die Sonne hat nun die Form einer Jakobsmuschel.« Unglaublich, sie sah wirklich wie unsere heißgeliebte Muschel aus. Mir kam es so vor, als wenn uns der liebe Gott ein wunderschönes Abschiedsgeschenk machen würde. Langsam hielt die Dunkelheit Einzug. Die ersten Sterne zeigten sich. In regelmäßigen Abständen brachte uns das kreisende Licht vom Leuchtturm eine kurzzeitige Helligkeit. Yajaira ruhte auf meiner Jacke und schlief tief und fest. Sie sah aus wie ein kleiner Engel. Gina lag auf dem Rücken und betrachtete den Sternenhimmel. Hansi und ich saßen neben Bernd, der sein wachsames Auge keinen Moment von seiner friedvoll schlafenden Frau abwandte.
    Wir bedauerten, unsere Schlafsäcke nicht eingepackt zu haben. Gerne hätten wir die ganze Nacht an jenem magischen Ort verbracht. Gegen halb eins lösten wir uns von diesem Traum, der
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