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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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Wirklichkeit war. Bernd weckte Yajaira, wir nahmen unsere Sachen und machten uns auf den Weg zum Auto. Hansi und Bernd beleuchteten mit ihren Handys den Weg, weil niemand eine Taschenlampe mithatte. Auf der Rückfahrt war es auffallend ruhig im Auto. Ich lag noch lange wach in meinem Bett, musste an die Eindrücke des Tages denken - fühlte, sah, versuchte zu verstehen, verstand nicht und schlief irgendwann in den frühen Morgenstunden ein.
     

»Denke daran, dass etwas, was du nicht bekommst,
    manchmal eine wunderbare Fügung des Schicksals sein kann.«
    Dalai Lama
     

17 Jean
     
    Der 8. Juni begann ganz normal. Estibaliz begrüßte mich auf ihre eigene charmante Art, die selbst den schlechtgelauntesten Morgenmuffel zu einem Lächeln bewegen musste. Ich setzte mich zu Bernd, Yajaira und Hansi an den Tisch. Estibaliz brachte Toast und frischen Kaffee. Hansi unterhielt sich mit den »vier blauen Augen«, die am Nachbartisch frühstückten. Die beiden strahlenden Augenpaare gehörten zu Rudi und Alex, zwei Pilgern, mit denen Hansi Freundschaft geschlossen hatte.
    Nach dem Frühstück stellten Bernd und Yajaira ihre Rucksäcke in meinem Zimmer ab, weil sie nachmittags mit dem Bus zurück nach Santiago mussten. Der nächste Abschied stand bevor. Mir wurde schwer ums Herz, wenn ich nur daran dachte. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen. Doch es war nicht der einzige Abschied an diesem Tag. Brigitte und Rainer hatte ich versprochen, mit ihnen einen Kaffee zu trinken, bevor sie in den Elf-Uhr-Bus stiegen. In der Bar Frontera warteten die beiden bereits auf mich. »Hallo, Mano, wir dachten schon, du würdest nicht kommen«, begrüßte mich Rainer.
    »Hallo, Brigitte, hallo Rainer, das war auch mein erster Gedanke an diesem Morgen, weil ich schon von so vielen Freunden Abschied nehmen musste und es jedes Mal weh tut. Doch die Voraussetzung für unseren Abschied war schließlich unsere Begegnung in St.-Jean-Pied-de-Port. Und ich bin dankbar für die schönen Stunden, die ich mit euch verbringen durfte.«
    »Ja«, meinte Rainer. »Es war eine fantastische Zeit, die wir unser Leben lang nicht vergessen werden.«
    Wir schwiegen und tranken Kaffee. Beim Blick in ihre Gesichter fühlte ich den Abschiedsschmerz. Der Bus erschien. Wir standen auf.
    »Vielen Dank für die wundervolle Zeit mit euch auf dem Camino und alles erdenklich Gute für eure Zukunft.«
    »Danke, Mano. Es war eine schöne Zeit mir dir. Auch dir alles Gute. Wir melden uns«, sagte Brigitte.
    »Danke, Mano - und mach’s gut«, sprach Rainer mit bewegter Stimme.
    »Du hast hier schon so viele Menschen verabschiedet. Wer verabschiedet dich eigentlich?«
    »Weiß ich nicht, auf jeden Fall die Ancora-Familie«, fiel mir ein. Wir drückten uns fest - dann gingen auch sie. Ich setzte meine Sonnenbrille auf, ging zum Hafen und schaute gedankenverloren aufs Meer, das mir auch keinen Trost spenden konnte. Weil ich mich müde fühlte, ging ich auf mein Zimmer, legte mich aufs Bett, dachte an Abschiede, fühlte einen Schmerz und schlief ein. Wirre Träume begleiteten meinen Schlaf. Als ich wach wurde, blieb ich noch eine Weile im Bett liegen, nahm das Markus-Evangelium in meine Hände und las zum wiederholten Male: »Guter Meister, was soll ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?«
    »Du weißt die Gebote - Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugnis reden, du sollst niemand berauben, ehre Vater und Mutter.«
    Er aber sprach zu ihm: »Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.«
    Und Jesus sah ihn an und liebte ihn und sprach zu ihm: »Eines fehlt dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich. «
    Er aber ward unmutig über das Wort und ging traurig davon, denn er hatte viele Güter.
    Und Jesus sah um sich um sprach zu seinen Jüngern: » Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen ...
    Jemand klopfte an der Tür, ich erschrak. »Wir sind’s, Bernd und Yajaira«, vernahm ich Bernds Stimme.
    »Die Tür ist offen, bitte kommt rein.«
    Yajaira setzte sich zu mir aufs Bett. Bernd kramte in seinen Sachen.
    »Ich habe noch mal das Markus-Evangelium gelesen, das ich unter dem Stein gefunden habe.«
    »Markus-Evangelium?«, fragte Yajaira verwundert.
    »Habe ich euch nicht davon erzählt?«
    »Nein, ich weiß nichts von einem Markus-Evangelium«, wandte Bernd sich
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