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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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1 Aufbruch
     
    Gedankenverloren schaute ich auf den Rhein. »Du kommst erst im Oktober wieder, aber auch nur, um deine Wohnung zu kündigen«, klangen die Worte von Conni in meinem Ohr. Das Siebengebirge, oft Ziel meiner Wanderungen, zog an mir vorüber.
    Ein Jahr war vergangen, seit ich bei meinem sizilianischen Freund Salvatore, in seinem Restaurant, bei einem Cafe Latte gesessen hatte. Salvatore hatte mir die Zeitung vom Vortag in die Hände gedrückt. Ein anderer Gast war in die »Aktuelle« vertieft. Ich las nicht jeden Tag Zeitung. Im Grunde stand fast immer das Gleiche darin. Doch als ich den Lokalteil aufschlug, fiel mir eine Anzeige besonders auf: »es sind einfach traumhafte Erinnerungen... in einer Ausstellung ist nicht vermittelbar, was wirklich mit einem passiert... man ist anschließend nicht mehr der Mensch, der man vorher war... jeder wird es anders erleben... dem Pilger begegne soviel Zuwendung auf dem Weg...« Die Worte lösten Sehnsüchte in mir aus, die ich aus vergangenen Jahren kannte. Die jedoch im Laufe meines Lebens verblasst waren.
    Bei dem Artikel handelte es sich um eine Ankündigung einer Ausstellung über die Pilgerschaft des 70-jährigen Friedhelm Link, der zufälligerweise den gleichen Familiennamen wie ich besaß. Mit Uschi, einer guten Freundin, wanderte ich von Bad Neuenahr nach Bad Breisig, wo die Ausstellung stattfand. Schon beim Betreten des Pfarrheims, in dem Rucksäcke, Wanderschuhe, Schlafsäcke und Bücher ausgestellt waren, fühlte ich wieder jene tiefe Sehnsucht. Links langjähriger Freund erzählte während des Diavortrags begeistert von seinen speziellen Empfindungen auf seiner Pilgerschaft.
    An jenem Tag verankerte sich der Jakobsweg tief in meinem Innern. Im Laufe der nächsten Wochen zogen mich Bücher, Kalender und Reiseberichte über den sagenumwobenen Weg magisch an. Besonders beeindruckte mich die wachsende Beliebtheit dieses spirituellen Weges in unserer schnelllebigen Zeit. 1978 erreichten 13 Pilger Santiago de Compostela, 2004 dagegen pilgerten über 179.000. Seit 1970 hatten sich über eine Million Menschen auf den Jakobsweg gewagt. In früheren Zeiten erfuhren die Druiden einen Teil ihrer bis zu 20-jährigen Ausbildung auf dem mystischen Weg, der auch als Lugweg und doppelte Sternenstraße bezeichnet wird. Auch heute noch ist er ein Lehrweg, der die Menschen auf seine eigene spezielle Art und Weise unterweist. Für die Kelten war er ein Handelsweg, auf dem sie an bestimmten Kraftorten Steinkreise und andere Steinformationen errichteten.
    Drei ernsthafte Versuche hatte ich 2004 unternommen, mich auf Pilgerschaft zu begeben. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, gegen eine Wand anzurennen, die mich an meinem Vorhaben hinderte. Ich wollte los, war wütend, verärgert; was auch immer ich unternahm, es führte nicht zu einem Aufbruch. Erst vor zwei Wochen war der letzte Versuch fehlgeschlagen. Während einer Probewanderung, bei der ich mit vollgepacktem Rucksack den Neuenahrer Berg hochgegangen war, machte mir eine Kreislaufschwäche zu schaffen. Wie sollte ich eine 800-Kilometer-Wanderung bewältigen, wenn ich noch nicht einmal eine Stunde mit zehn Kilogramm Gepäck auf meinen Schultern gehen konnte? Völlig frustriert entschied ich mein Vorhaben aufzugeben.
    Am gestrigen Tag jedoch war es mir vorgekommen, als wenn mich eine Macht anschieben würde. »Nun geh endlich, die Zeit ist gekommen.« An diesem Tag meldete ich mein Auto ab, kündigte Versicherungen, schloss eine Auslandskrankenversicherung ab, ging zum Frisör, kaufte eine Bahnfahrkarte, fand jemanden für die Versorgung meiner Wohnung, führte unzählige Telefongespräche, packte meinen Rucksack und wunderte mich, als ich abends todmüde im Bett lag, was ich an diesem Tage alles geschafft hatte.
    Zu diesem Zeitpunkt lag mein Leben schon lange in Trümmern. Tage reihten sich sinnlos und leer aneinander. Vier Jahre lebte ich nun schon alleine, hatte keine Arbeit und nicht viel Geld.
    »In wenigen Minuten erreichen wir Köln Hauptbahnhof«, holte mich eine freundlich klingende Frauenstimme aus meinem Tagtraum. Der Rheinexpress hielt, ich schulterte meinen Rucksack und stieg aus. Mir war nach einem starken heißen Kaffee. Viel Schlaf hatte ich die letzte Nacht nicht gefunden.
    Gleis 7, ich muss zum Gleis 7, die 7 ist meine Glückszahl, 15 Minuten noch bis zur Abfahrt. Wenige Stunden trennten mich von meiner ersten Begegnung mit Paris. Neun Stunden hatte ich mir eingerichtet, um wenigstens ein wenig von der Stadt
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