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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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späteren Zeitpunkt erfahren sollte.
    Unsere erste Adresse war das Pilgerbüro. Als wir eintraten, fanden wir einige Pilger vor, die von Helfern wichtige Informationen erhielten. Nach kurzer Wartezeit weihten sie auch uns ein, wo sich Wasserstellen, die ersten Herbergen befinden würden, und was überdies noch von Wichtigkeit war. Nachdem jeder den ersten Stempel in seinem Pilgerpass erhalten hatte, erstanden wir Jakobsmuscheln, die uns den Rest der Reise am Rucksack baumelnd begleiten und als Jakobspilger ausweisen würden. Mit einem freundlichen Lächeln und den besten Wünschen verabschiedeten uns die Mitarbeiter.
    Unmittelbar vor dem Büro interviewte ein Filmteam die australischen Pilger, was mir die Bedeutsamkeit des Jakobsweges noch einmal deutlich vor Augen führte. Auf der Suche nach einem Restaurant entdeckten wir die ersten gelben Pfeile. Ich fühlte die Aufgeregtheit meiner Begleiter und das Brennen unter den eigenen Fußsohlen. Weil wir kein geeignetes Restaurant fanden, besorgten wir uns in einem Supermarkt etwas Essbares. Rainer, der seine Einkäufe in Rekordzeit erledigte, bestätigte seine Ungeduld, als er mir zurief: »Kannst du dich nicht entscheiden?« In jenem Moment erkannte ich, dass meine ersten Pilgergefährten ein anderes Zeitgefühl besaßen. Ich ließ es ruhiger angehen, kaufte Camembert, Hartkäse, Baguette, Kekse und Bananen. An einem Rastplatz, außerhalb von St.-Jean-Pied-de-Port, stärkten wir uns. Die Sonne brannte von einem strahlend blauen Himmel. Ich liebte Mahlzeiten in Gottes freier Natur. Und ich liebte es, sie mit netten Menschen bei guten Gesprächen einzunehmen.
    Dann ging es endlich los. Als die Reste der Mahlzeit in die ohnehin vollen Rucksäcke gestopft waren, starteten wir in der mittäglichen Hitze auf die ersten Kilometer. Von nun an waren die gelben Pfeile und die stilisierte Jakobsmuschel unsere treuen Begleiter. Constantin zog los, als wolle er seine Pilgerschaft an einem einzigen Tage bewältigen. Es dauerte nicht lange, bis der Weg ihn verschluckt hatte. Rainer und Brigitte folgten seinem Beispiel und verschwanden ebenfalls wenig später aus meinem Blickfeld. Ihr Tempo entsprach nicht meiner Pilgerphilosophie. Schließlich waren es bis Huntto, unserem ersten Etappenziel, gerade mal sechs Kilometer. Bewusst setzte ich einen Schritt vor den anderen und fühlte, wie sich die Ruhe der Natur auf mich übertrug.
    Hin und wieder blieb ich stehen, betrachtete das satte Grün der Weiden und die prächtigen Kühe. Mein Knie teilte leider meine Begeisterung nicht mit mir. Schon auf den ersten Metern schwoll es an. Obwohl ich fest entschlossen war, dass mich so leicht nichts von meinem Vorhaben Santiago zu erreichen, abhalten konnte, traten Ängste auf... Langsam wanderte ich über die asphaltierte Straße bergauf und sah ein Pilgerpaar im Gras sitzen, das es sichtlich ruhig angehen ließ.
    »Ein wunderschöner Ausblick«, begrüßte ich sie in meiner Heimatsprache, weil ich sicher war, Landsleute vor mir zu haben. »Hallo, es ist wahrlich ein paradiesisches Plätzchen hier in der Sonne«, antwortete der Mann mit einem leichten Akzent, den ich nicht einzuordnen wusste. Ich setzte mich zu ihnen.
    »Ich heiße Mano«.
    »Alexander, und das ist meine Frau Melitta, wie der Kaffee, Melitta.«
    »Freut mich, Sie scheinen genau so viel Zeit zu haben wie ich.«
    »Wir haben es nicht eilig, gehen nur bis Huntto«, antwortete Alexander.
    Melitta, eine attraktive Frau mittleren Alters mit halblangen braunen Haaren, und ihr sportlich schlanker Ehemann Alexander kamen vom Bodensee. Nach der Rast zogen wir gemeinsam los. Die Hitze, das ungewohnte Gewicht auf meinen Schultern und der Anstieg zeigten mir deutlich, dass die Pilgerschaft kein Spaziergang werden würde. Ich hatte einen gehörigen Respekt vor diesem Weg. Bewusst legten wir des Öfteren Pausen ein.
    Melittas Kreislauf schien den Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Als ich ihren Rucksack anhob, wusste ich den Grund. Melitta hatte Notfalltropfen mit, die schnelle Hilfe brachten.
    »Ich gehe mit dir zur Herberge, stelle meinen Rucksack dort ab, und gehe dann zurück, um Melitta samt Rucksack zu holen«, meinte Alexander.
    »Ich kann einige Dinge aus Melittas Rucksack mitnehmen. Dann brauchst du nicht so viel zu tragen«, bot ich ihm an.
    »Das ist absolut kein Problem, ich schaffe das schon.«
    Der Anstieg zur Herberge war recht steil. Nach unserer Ankunft bot ich Alexander abermals meine Hilfe an. Er lehnte dankend ab. Die
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