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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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Herbergsmutter fragte nach unseren Namen und zeigte uns die Zimmer. Alexander entledigte sich seines Rucksackes und machte sich auf den Rückweg. In meinem ersten Nachtquartier, das einfach und sauber war, befanden sich zwei Betten, ein kleiner Kleiderschrank und Nachtkommoden. Auf dem Weg zum Bad begegneten mir Rainer und Brigitte, die das Zimmer zu meiner Rechten bewohnten. Wir tauschten uns kurz aus, bevor ich unter die Dusche stieg. Meine nassgeschwitzten Kleider hängte ich zum Trocknen auf den Holzbalkon, von dem aus ich einen weiten Blick ins Tal hatte. St.-Jean-Pied-de-Port suchte ich vergebens. Der geschichtsträchtige Ort war hinter einer Bergkuppe verschwunden. Auf einem bequemen Stuhl genoss ich die wärmenden Strahlen der Nachmittagssonne auf dem Rasen im Garten. Mit meinem Einstieg ins Pilgerleben war ich zufrieden. Meine Entscheidung, am ersten Tag nicht über die Pyrenäen gewandert zu sein, bereute ich nicht. Brigitte und Rainer, die sich zu mir gesellten, erzählten, dass Constantin sich ein wenig Ruhe gönnte und ein Schläfchen hielt. Eine erste fruchtbare Konversation fand ihren Ursprung. Das Abendessen, an dem Menschen vieler Nationen teilnahmen, fand an einer langen Tafel statt. Constantin, der mir gegenüber saß, war mit seinen Sprachkenntnissen eine willkommene Hilfe. Ich hatte das spezielle Vergnügen, neben dem Herbergsvater und seiner Frau sitzen zu dürfen. Während des 5-Gänge-Menüs, das keine Gourmetwünsche offen ließ, erzählte der Herbergsvater begeistert aus seinen Kindheitstagen. Sein gesamtes Leben hatte er in Huntto verbracht. Gereist sei er nicht viel. Warum auch? Da, wo er lebte, hatte er alles, was er zu seinem Glück brauchte. Sein faltiges Gesicht, aus dem neugierige braune Augen schauten, strahlte Zufriedenheit aus. Seiner Frau, zierlich und kräftig zugleich, war noch immer die Schönheit ihrer Jugend anzusehen. Ich empfand Ehrfurcht für diese Menschen, die sicherlich kein einfaches Leben hatten.
    Die großzügigen Fenster im Speiseraum boten eine freie Sicht in die Ferne. Das weiche Licht des Abends verlieh dem Tal etwas Märchenhaftes. Nach dem Essen spazierte ich in den Garten, lehnte mich übers Geländer und ließ mich von der Nacht berauschen. Anschließend ging ich in mein Zimmer und kroch in meinen Schlafsack, nachdem ich mein Knie mit Salbe eingerieben hatte. Ein friedvolles Gefühl war in mir, als ich meine Augen schloss.
     

»Wenn du die Menschen verurteilst, hast du keine Zeit, sie zu lieben.«
    Mutter Teresa
     

3 Hundert Heringe
     
    Kurz vor Sechs wachte ich auf, fühlte mich gut und ausgeschlafen. Eine erste ernsthafte Herausforderung lag vor mir - die Pyrenäen. Als ich von der Morgentoilette zurückkehrte und meinen Schlafsack zusammenrollte, der mir bei dem Versuch, ihn wieder in die kleine Hülle zu stopfen, überdimensional vorkam, klopfte es an der Tür: »Mano, aufwachen, Zeit zum Aufbrechen«, vernahm ich Rainers kräftige Stimme, der sein Versprechen einlöste, mich zu wecken, weil ich das Gewicht eines Weckers auf meine Einsparliste gesetzt hatte. Ich bedankte mich und versuchte weiter verbissen, meinen Schlafsack in die Hülle zu quetschen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis das verflixte Ding endlich verstaut und verschnürt war.
    Auf meinem Nachbarbett hatte ich meine Sachen ausgebreitet. Wie sollte ich dies alles nur in meinem Rucksack unterbringen ? Auf Empfehlung eines Reiseführers hatte ich mich für drei Plastiktüten entschieden, die meine Sachen zusätzlich vor Nässe schützen sollen, weil mein Rucksack nicht zu hundert Prozent wasserdicht war. In einer verstaute ich Shampoo, Salbe, Taschenmesser, Sicherheitsnadeln, die als Ersatz für Wäscheklammern dienten, Blasenpflaster und andere kleine Dinge. In die zweite stopfte ich meine Kleidung. Die dritte diente als Schutz für meinen Schlafsack. Hatte ich doch zu viel mitgenommen? Ich überlegte, das ein oder andere auszusortieren. Wie auch immer, meine Organisation ließ noch etwas zu wünschen übrig. Das können wir besser, Mano. Ich musste lachen, verstaute alles, zog die Wanderschuhe an, hievte den Rucksack auf meine Schultern und machte mich frohen Mutes auf. Brigitte und Rainer, die das Schlaf- wie Rucksackpacken anscheinend besser beherrschten, befanden sich schon auf dem Weg, das Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien zu überqueren. Ein sonniger Morgen mit zwitschernden Vögeln begrüßte mich, als ich die Tür zur Herberge hinter mir schloss. Mein Knie nahm ich in
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