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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg
Autoren: Manolo Link
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wolltest doch mit dem Wünschen aufhören«, redete ich mir ins Gewissen. Ich war glücklich, trällerte ein Lied in den Abendhimmel von Paris, um dann Abschied von dieser herrlichen Stadt zu nehmen.
    Auf dem Weg zum Bahnhof fragte ich mich, wo meine Pilgerschaft mich wohl hinführen würde. Ich fühlte, dass in mir etwas Neues im Begriff war, zu entstehen. Vertrauen war in mir, das ich lange vermisst hatte. Vertrauen , auf dem richtigen Weg zu sein. Gegenteiliges kannte ich aus vergangenen Zeiten. Ich kannte das Gefühl, einen Weg zu gehen, verzweifelt zu sein und wissend, dass es nicht der richtige war.
    Als ich die Tür zum Bahnhof öffnete, spürte ich das schwere Paket auf meinen Schultern. In einer Ecke saß ein weißhaariger, kräftiger Mann mit einer Frau. Beide trugen Wanderschuhe, neben ihnen standen Tourenrucksäcke. Waren sie aus den gleichen Beweggründen wie ich unterwegs ?
    Gegen elf stieg ich in den leeren Zug. Meinen Ruhesitz hatte ich mir anders vorgestellt. Er war klein und ungeeignet zum Schlafen. Um halb zwölf setzte sich der Zug in Bewegung. Übermüdet versuchte ich eine geeignete Stellung zum Schlafen in dem unbequemen Sitz zu finden. Doch wie ich mich auch drehte, wendete und verbog, es gelang mir nicht. Die Nacht wollte kein Ende nehmen. Stunden kamen mir wie Tage vor. Gegen sechs fuhr der Zug endlich in Bayonne ein. Als er sich wieder in Bewegung setzte, stand ich mit zahlreichen anderen, die ebenfalls Rucksäcke auf ihren Schultern trugen, auf dem Bahnsteig.
    Meine müden Gedanken konzentrierten sich nun ausschließlich auf Kaffee und Croissant. In der Bahnhofgaststätte hatte ich das Vergnügen, Dieter, einen Pilger aus Österreich, kennen zu lernen. Bei einem starken Kaffee redeten wir über unsere bevorstehende Pilgerschaft. Nach dem Frühstück spazierten wir durch die Straßen von Bayonne. Dieter erzählte mir von seiner Frau und den drei Kindern, denen der Abschied genau so schwergefallen war wie ihm. Vier Wochen hatte er zur Verfügung. Dann wollte er vor der Kathedrale in Santiago stehen.
    Dieter war ein angenehmer Vertreter, ruhig, in sich gekehrt, ein Naturmensch. Wir fühlten uns wohl in Bayonne, an einem angenehm milden Aprilmorgen. Die Sonne schien von einem leichtbewölkten Himmel. Liebend gerne wäre ich einen weiteren Tag geblieben. Doch die Pilgerschaft rief, laut und fordernd. So war unser Ausflug nur von kurzer Dauer. Der Zug nach St.-Jean-Pied-de-Port würde auf zwei Pilger aus Österreich und Deutschland nicht warten. Im Bahnhof spazierten zahlreiche weitere Pilger ungeduldig auf und ab. Sie waren leicht an Tourenrucksäcken, Wanderschuhen und Trekkingbekleidung zu erkennen. So sahen Pilger aus, mit ihren erwartungsvollen Gesichtern.
     
     

»Der Mensch braucht Erde unter den Füßen, sonst verdorrt ihm das Herz.«
    Gertrudvon le Fort
     

2. St.-Jean-Pied-de-Port
     
    Um neun fuhr der Zug ab. Im Abteil schaute ich in zwei Gesichter, die ich vom Austerlitzer Bahnhof kannte. Die beiden Reisenden stellten sich als Rainer und Brigitte vor; sie waren aus Berlin angereist. Das junge Grün und die felsigen Hänge links und rechts der Bahnlinie erinnerten mich an meine zahlreichen Bergwanderungen. Mein Herz schlug höher, als nach einer Stunde der Bahnhof von St.-Jean-Pied-de-Port auftauchte. Auf dem Bahnsteig lernte ich drei junge Männer aus dem weit entfernten Quebec, in Kanada, kennen. Dieter, der eilig wirkte, verabschiedete sich nach einem kurzen Gespräch und war alsbald verschwunden. Ich gesellte mich zu Brigitte und Rainer, die sich angeregt mit Constantin, einem Belgier in den Sechzigern, unterhielten. Auch sie wollten die Pyrenäen nicht vor dem morgigen Tag überqueren. Constantin, der nicht nur gut deutsch, sondern auch französisch sprach, reservierte per Handy für uns Betten in einer privaten Herberge, die sich in Huntto, sechs Kilometer von St.-Jean-Pied-de-Port, befand.
    Constantin war ein Mensch, mit dem jeder gleich Freundschaft schließen möchte. Rainer, ein Hüne von Gestalt, wirkte trotz seiner weißen Haartracht jugendlich. Seine hübsche Frau Brigitte, dunkelblondes halblanges Haar, war ein sportlicher Typ. Auf dem Weg zum Jakobuspilgerbüro schloss sich uns ein Ehepaar mit Tochter an. Meine bescheidenen Englischkenntnisse reichten aus, um festzustellen, dass die drei aus Sydney, Australien, angereist waren.
    An jenem 28. April ereignete sich in St.-Jean-Pied-de-Port etwas, das meinem Leben eine entscheidende Wende geben würde, wie ich zu einem
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