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Ein Mund voll Glück

Ein Mund voll Glück

Titel: Ein Mund voll Glück
Autoren: Horst Biernath
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genau informiert!« grinste Werner Golling.
    »Habe ich«, antwortete Herr Berwanger schlicht und zerdrückte den Rest seiner Brasil im Aschenbecher, »und weil ich am Sonntag ohnehin nach Harpfing fahre, um mit dem Danner über Geschäfte zu sprechen, nehme ich dich mit.«
    »Was sagst du zu dieser Vergewaltigung?« fragte Werner und warf seiner Tante einen hilfesuchenden Blick zu. Sie hatte die ganze Zeit stumm dabeigesessen, was sonst durchaus nicht in ihrer Art lag.
    »Ich meine, du solltest dir das Mädchen ruhig einmal ansehen«, sagte sie, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, so daß Werner Golling das unangenehme Gefühl beschlich, die Absicht, ihn zu verkuppeln, sei gar nicht so sehr von Onkel Paul als vielmehr von seiner Tante Hedi ausgegangen.
    »Was ihr beide auf einmal habt!« knurrte er verstimmt. »Vorläufig denke ich auch nicht einmal im Traum daran, zu heiraten.
    Und wenn ich die Absicht hätte, dann möchte ich mir meine Frau schon selber aussuchen!«
    »Das sollst du ja auch, Wernerchen«, sagte Tante Hedi sanft, »aber dazu mußt du dich schließlich unter den Töchtern des Landes umschauen.«
    »So ist es!« bestätigte Onkel Paul. »Und wenn du es wissen willst — mit dem Schwanenbräu bin ich längst einig.«
    »Da schau her! Und was sagt Fräulein Danner dazu, wenn man fragen darf?«
    »Das Mädl... Da kennst du meinen Freund Danner schlecht. In seinem Haus herrscht noch die alte Ordnung. Wer die Füße unter seinen Tisch streckt, hat sich nach ihm zu richten.«
    »Das scheint dir mächtig zu imponieren, wie?«
    »Ein Mann, der ein gutes Bier braut und sein Hauswesen in Ordnung hält, imponiert mir immer!« antwortete Onkel Paul schlicht.
    Werner Golling erhob sich, streckte sich und atmete tief durch: »Irgend etwas ist mir auf den Magen geschlagen, entweder der Emmentaler oder das Gespräch. Ich will noch ein wenig schmökern. Gute Nacht allerseits!« Er nickte den Berwangers zu und verschwand in seinem Zimmer im oberen Stockwerk. Zunächst empfand er ein Gefühl der Empörung. Aber je länger er über den Vorschlag seines Onkels nachdachte, um so weniger vermochte er sich darüber aufzuregen. Daß er eines Tages heiraten würde, darüber bestand nicht der geringste Zweifel. Und ob nun eine Zufallsbekanntschaft zur Ehe führte oder ob der gelenkte Zufall durch Freunde oder Verwandte dahinterstand, kam schließlich aufs gleiche hinaus. Eine Garantie für die Zukunft gab es weder so noch so. Und sollte er sich etwa darüber erregen, daß Onkel Paul — Kaufmann, der er nun einmal war — dabei auch ans Geld dachte? Ganz gewiß tat er es nicht deshalb, weil er damit seine Bürgschaftsverpflichtungen loswerden wollte. Die Summe, für die er geradestand, falls es mit der Praxis schiefgehen sollte, war für ihn ein ganz kleiner Fisch. Weshalb also sollte man sich dagegen sträuben, nach Harpfing hinauszufahren und sich die von Onkel Paul so warm empfohlene Kandidatin einmal anzuschauen?
    So kam der Sonntag — und so brachen die beiden Herren zu der verabredeten Landpartie auf.
    Ohne aufs Tempo zu drücken, denn Onkel Paul wurde nervös, wenn der Tacho über achtzig kletterte, erreichte man Harpfing in einer guten Stunde. Es war ein Marktflecken. Von den Steilufern der Ache ringsum eingeschlossen, bot das Gelände keine Ausdehnungsmöglichkeiten, so daß Harpfing im Gegensatz zu anderen Städten, die durch den Zustrom der Heimatvertriebenen ums Doppelte und Dreifache angewachsen waren, mit Ausnahme einer Strickwarenfabrik, die sich nach dem Kriege hier angesiedelt hatte, noch genau so aussah, wie es vor hundert Jahren ausgesehen haben mochte. Zwischen den beiden alten Stadttoren lag der langgestreckte Marktplatz mit einem Brunnen, der an einen Besuch König Ludwigs I. erinnerte. Auf der einen Seite des Marktes drängten sich schmalbrüstige Häuser mit Stufengiebeln eng an das Steilufer, das höher als der Turm der frühgotischen Michaelskirche anstieg, und auf der anderen, dem Fluß zugewandten Seite lagen breiter und behäbiger als die Häuser auf der Hangseite das Rathaus, das Kaufhaus Strohmeier, der Gasthof zur >Deutschen Eiche< und — der Schwanenbräu. Es war ein stattlicher Bau, der sich bescheiden Gasthof nannte und seine Tradition bis auf das Jahr 1585 zurückführte. Die Gasträume lagen ebenerdig unter mächtigen Gewölben, die für die Ewigkeit gebaut zu sein schienen. Es war kurz nach zwölf, als Werner Golling den Wagen dem Schwanenbräu gegenüber parkte. Onkel Paul führte
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