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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du
Autoren: Heinz G. Konsalik
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des Weges gezogen und waren glücklich. Jetzt haben wir jeder seine Straße, und wir wollen uns zuwinken, wenn wir uns hier und da einmal wieder begegnen …«
    Sandra verstand ihn. Sie nahm die Rose und drückte sie an die Lippen. Ettore Constantino war aufgesprungen und applaudierte, bis ihm die Hände schwollen. Er spürte, wie tief dieser Abend in sein Leben eingriff und ihm Sandra erst richtig schenkte.
    An diesem Abend ging Greta allein durch den Garten an der Seite Professors von Kondritz. Sie war noch blaß, eingefallen und ein wenig nach vorn gebeugt, aber sie schritt an der Seite des Arztes durch die Blumenrabatten und spürte keine Schmerzen mehr beim Auftreten und Weiterbewegen der Beine.
    »Es geht doch ganz gut«, sagte Kondritz und blieb stehen. »Sie sollen sehen, gnädige Frau – in ein paar Wochen können Sie laufen wie eine Sprinterin. Morgen beginnen wir mit dem Schwimmtraining, und es wird nicht lange dauern, dann werden Sie zu mir sagen: ›Ich war einmal krank? Ich war gelähmt? Ich habe in einer Gipswanne gelegen? Das ist doch nicht wahr?‹« Kondritz lächelte und bot ihr seinen Arm. »Und eins müssen Sie mir noch versprechen, gnädige Frau: Den ersten Walzer, den Sie wieder tanzen werden, schenken Sie mir …«
    Der Klang von Coranis Stimme eroberte die Welt. Legendäre Geschichten von seiner Stummheit und seiner Rettung kursierten bereits im Volksmund. Wo er auftrat – und die weite Welt war seine Bühne –, standen die Menschen von den Sitzen auf und riefen seinen Namen. Er sang in Tokio, Delhi und Teheran, er sang in Kairo die ›Aida‹ und in Moskau die ›Rusalka‹ – und als er zurückkam nach Berlin, unerkannt, unter seinem Namen Franz Krone, und zitternd vor Erwartung im Zimmer von Professor von Kondritz saß, war er trotz seines Ruhmes doch nur ein kleiner Mensch, der bebend und ungeduldig auf die Minute wartete, endlich seine kranke Frau wiederzusehen.
    Auf dem Flur erklang ein Schritt. Kondritz entfernte sich in sein Nebenzimmer. Es klopfte, die Tür schwang auf … Zierlich, mit langen blonden Haaren, ohne Stock betrat sie das Zimmer, ein fast seliges Lächeln auf den schmalen Lippen.
    Einen Augenblick war es Franz, als hielte ihn der Sessel fest, in dem er saß. Wie angewurzelt starrte er ihr entgegen … Sie ging … Sie ging, als sei sie nie gelähmt gewesen – sie kam auf ihn zu, frei, ohne Hilfe.
    »Greta!« schrie er auf. »Greta!« Er stürzte auf sie zu, umfing sie, als habe er Angst, sie könne stürzen, und vergrub sein Gesicht in ihre blonden Haare. So standen sie stumm, eng aneinandergeschmiegt und hörten nur das Klopfen ihrer Herzen.
    »Ich habe dich wieder«, sagte er später leise und streichelte sie. »Ich habe dich wirklich wieder …«
    Professor von Kondritz war durch den Nebenraum auf den Flur getreten. Er winkte Schwester Bettina zu. »Legen Sie bitte alle Gespräche für mich in das Arztkasino«, sagte er mit bedeckter Stimme. »Ich bin vorläufig nicht in meinem Zimmer …«
    Am 23. Juli 1957 wurde in New York, morgens gegen halb sieben, Annegret Krone geboren. Franz saß an dem winzigen Körbchen und blickte ungläubig auf die kleinen, geballten Fäuste und das verkniffene, rosige Gesicht des Kindes. Es schlief … Der Mund war im Schlaf verkrampft, durch die kleine Nase pfiff leise der Atem. »Ist sie nicht süß?« fragte Greta. Sie saß im Bett, gestützt durch einen Berg Kissen, und trank einen Schluck Rotwein, in den man ein Ei geschlagen hatte. »Sie sieht dir so ähnlich, Franz …«
    Er bemühte sich, diese Ähnlichkeit in dem zerknitterten Gesichtchen festzustellen, und nickte. »Ja, bestimmt«, sagte er. Er richtete sich auf und sah zu Greta hinüber. »Jetzt sind wir eine richtige, große Familie«, meinte er glücklich.
    Das Kind bewegte sich. Es hob die Fäustchen hoch und begann zu weinen. Er sprang sofort an das Körbchen und beugte sich über das Kind. »Nicht weinen«, sagte er zärtlich und leise. »Nicht weinen, Annegret … Ich bin ja da … Pst … Hörst du mich …? Nicht weinen.« Er setzte sich neben das Körbchen und sang mit leiser, schwebender Stimme ein Lied, das Schlaflied von Brahms. Und während er sang, streichelte er mit der Hand die Fäuste des Kindes und über die Decke, die es einhüllte. Schwächer wurde das Weinen … Jetzt war es nur noch ein Greinen, ein Schluchzen, ein im Traum versickernder Ton …
    »Es schläft, sieh es dir an … Es schläft, wenn ich singe …«
    Und er blieb am Körbchen sitzen und
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