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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wissen, wenn sie ganz gesund ist …«
    Mit verkrampften Fingern, fast unleserlich, schrieb er weiter auf das Papier.
    »Ich habe Professor von Kondritz in Berlin verständigt. Wenn du transportfähig bist, werden wir dich nach Berlin schaffen.«
    »Ist es so schlimm?« sagte sie mit einem müden Lächeln, als sie die Zeilen gelesen hatte. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein«, schrieb er auf den Zettel. »Aber ich will, daß der beste Arzt dich untersucht. Ich liebe dich, Greta!«
    Sie nahm seinen Kopf und küßte ihn auf die Lippen. Ein zufriedenes Lächeln überzog ihr blasses, schmales Gesicht. »Bleibst du bei mir?« fragte sie. Das Sprechen strengte sie an, man sah es an den kleinen Schweißperlen, die sich auf ihrer Stirn zeigten. »Bleibst du hier, bis ich ganz gesund bin?«
    Franz nickte. Er schluckte; die Qual, jetzt freiwillig stumm zu sein, übermannte ihn fast. Er beugte sich über sie und tupfte mit einem Mulltuch den Schweiß von ihrer Stirn.
    »Wie geht es Dr. Kuranomu?« fragte Greta nach einer Zeit der Stille. »Er ist auf dem Wege der Besserung«, log Franz und schob den Zettel zu ihr.
    »Schädelbruch?«
    Er nickte und machte ein Zeichen, daß er nicht so schwer sei.
    »Gott sei Dank.« Greta legte sich in die Kissen zurück. »Er konnte nichts dafür, Franz. Er wollte den Hund nicht überfahren, und die Straße war zu eng, der Wagen schleuderte, als er bremste … Er ist wirklich nicht schuldig.«
    Er nickte Zustimmung und legte seinen Finger auf ihre Lippen. »Still«, sollte das heißen. »Nicht zu viel sprechen … Ruhe dich aus, schlafe … Werde gesund.« Sie lächelte ihn an und küßte den Finger, der auf ihrem Mund lag. Gehorsam schloß sie die Augen und fiel nach einiger Zeit in einen Dämmerschlaf.
    Leise erhob sich Franz und ging hinaus in den steinernen Bogengang des Hospitals. Er lehnte sich an die Balustrade und sah hinunter auf den von Säulengängen eingerahmten Klostergarten, in dem drei bärtige, schwarze Mönche mit primitiven, selbstgezimmerten Hacken und Schaufeln den steinigen Boden bearbeiteten und die Blumen von Unkraut säuberten.
    Er rauchte in kurzen, hastigen Zügen eine Zigarette und nahm dabei aus seiner Brusttasche einen schon vielfach zerknitterten Brief. Er war von Caricacci und eine Antwort auf die Bitten Krones, ihm etwas Geld zu leihen. Die Konten waren erschöpft; die Arztkosten, der Hauskauf, das tägliche Leben hatten sie fast restlos aufgebraucht. Nur noch ein paar Dollar standen auf einer Bank in San Francisco zur Verfügung …
    Caricacci schrieb, daß er Franz tausend Dollar überwiesen habe, in griechischer Währung. Er wünschte Greta – die er zum erstenmal in einem Brief erwähnte – schnelle Besserung und teilte mit, daß er für drei Monate nach Spanien gehe, wo ein Talentsucher in den Toledobergen eine Naturstimme entdeckt habe, einen Bariton vom Format eines Bastianini oder Schlusnus.
    Tausend Dollar – und was kam dann? Greta mußte operiert werden. Professor von Kondritz hatte angesichts der ersten Röntgenaufnahmen vorgeschlagen, die äußerst schwierige Rückgratoperation in Berlin vornehmen zu lassen. Ohne eine Operation würde Greta nie wieder laufen können – die Nervenstränge zu den Beinmuskeln waren abgeklemmt, die Wirbelsäule verbogen und deformiert. Was sind da tausend Dollar!
    In diesen Wochen begann Franz Krone etwas, was alle Ärzte, die ihn bisher behandelt hatten, für Irrsinn gehalten hätten. Er sang!
    Eigentlich war es kein Singen, sondern ein schreckliches Krächzen und ein mißtöniges Gewimmer; er konnte zwar wieder sprechen bis zu einer gewissen Lautstärke, aber darüber hinaus versagten die Stimmbänder weiter den Dienst und schwangen nicht mehr mit.
    Es kümmerte Franz Krone nicht, daß sein erster Gesang wie das Heulen eines kranken Hundes klang … Er fuhr jeden Tag hinaus aus Sparta nach Artemisia, einem Dorf im Taygetos-Gebirge, und dort, in den einsamen Schluchten gebleichter, graugelber Felsen, umgeben von zerzausten Ölbäumen oder windschiefen Tamarisken, brüllte er in die Einsamkeit und lauschte, ob seine Stimme keinen Klang bekam, ob sie sich nicht wandelte, ob sie nicht doch den Ansatz einer Harmonie der Töne zeigte.
    Drei, vier, sechs, neun Wochen lang sang er mit grausamer Konsequenz in den Felsen von Artemisia. In der Zwischenzeit saß er am Bett Gretas und schrieb noch immer auf eine neu gekaufte Schiefertafel die wenigen Sätze, die er ihr zu sagen hatte: Trost, Geduld und Glaube an das
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