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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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wieder eine
Wehe. „Is schlimm, wa? Ham Se große Schmerzen?“, erkundigte Mia sich mitleidig.
„Kann ich irgendwie wat für Se tun, Christina?“
    „Geht schon, Mia ... Ist gleich vorbei“, sagte Christina und
atmete kräftig aus und ein.
    Der Krankenwagen kündigte seine Ankunft durch das laut
aufheulende Martinshorn schon aus der  Ferne an, und Mia lief zur Tür, um das
automatische Tor zu öffnen.
    Man legte sie vorsichtig auf eine Trage und trug sie hinaus.
„Soll ich mit Se kommen? Ich meine, weil der Marc ja noch nich da is.
    „Er kommt ja gleich nach. Ist nicht nötig, Mia.“
    Sie lag im Krankenwagen, neben ihr saß der Notarzt und
sprach beruhigend auf sie ein, doch die Situation wühlte sie immer mehr auf,
was nicht zuletzt durch die ohrenbetäubende Sirene noch verstärkt wurde. In ihr
kam Panik auf, und sie fühlte sich mit ihrer Aufgabe auf einmal absolut
überfordert. Ich schaffe das nicht! Ich kann das einfach nicht!, schoss ihr
durch den Kopf. Es wird nicht gut gehen!
     
    Marc fuhr so schnell er nur konnte, überholte alles, was am
Wochenende so über die linke Spur der Autobahn kroch. „Scheiß Sonntagsfahrer!“,
verfluchte er die notorischen Langsamüberholer.  Zu guter Letzt konnte er von
der Schnellstraße abfahren und sich in Richtung „Hanseklinik“ durch den
Großstadtverkehr vorantasten. Natürlich war beinahe jede Ampel rot, und er
klopfte bei jedem erzwungenem Stop ungeduldig mit der Hand auf das Lenkrad. Er
war nassgeschwitzt als er endlich am Krankenhaus ankam. Er lenkte seinen Wagen
in das schmale Rondell vor dem Haupteingang, stellte den Motor ab und lief in
das riesige Gebäude. Er hielt kurz am Empfang an, warf dem Angestellten seine
Autoschlüssel auf den Tresen, rief „Der rote Ferrari vor der Tür“ und nahm die
Treppen, um in die dritte Etage zu gelangen.
    Dr. Fuhrmann war einigermaßen verblüfft über den Zustand
ihrer Patientin. Die sonst so taffe Christina Stevens schien nicht mehr sie
selbst zu sein. Vollkommen apathisch lag sie auf der Trage, als man sie aus dem
Krankenwagen transportierte. Sie reagierte weder auf ihre freundliche Begrüßung
noch antwortete sie auf die Fragen der Chefärztin. Sie starrte nur geradeaus,
als würde sie gar nicht wahrnehmen, was um sie herum passierte. Auch als man
sie in das Bett im Kreißsaal umgelegt hatte, schien die werdende Mutter nichts
und niemanden zu registrieren.  „Frau Stevens, hören Sie mich?“, fragte Dr.
Fuhrmann. „Möchten Sie etwas gegen die Schmerzen?“, hakte sie noch einmal nach,
als ihre Patientin ihr Gesicht verzerrte. „Versuchen Sie, sich zu entspannen“,
riet sie Christina. „Atmen Sie ruhig und kräftig aus und ein.“ Ihre Patientin
beachtete sie jedoch nicht, sie blieb jedenfalls in unveränderter Position
liegen, krampfte unter den enormen Schmerzen ihren ganzen Körper zusammen und
starrte auf die offenstehende Tür.
    Dr. Fuhrmann wusste, dass sie das zuviel Kraft kosten würde,
wertvolle Energie, die sie nachher beim Ende der Geburt dringend brauchen
würde. Sie hatten sich gemeinsam für eine PDA entschieden. Diese Anästhesie
sollte ihren Unterkörper vollständig betäuben und die Schmerzen ausschalten.
Diese Rückenmarksspritze, wie die Narkose im Volksmund genannt wurde, konnte
man so genau dosieren, dass die Gebärende am Ende der Geburt zwar keine Schmerzen
mehr hatte, dennoch genau spürte, wann eine Wehe kam. So wäre es Christina
Stevens möglich, ihre ganze Kraft für die letzten wichtigen Augenblicke zu
sammeln und die Zeit bis dahin schmerzfrei zu überstehen. Es war einfach
unbedingt notwendig, dass ihr die PDA jetzt gesetzt wurde, denn, wenn die
Geburt zu weit fortgeschritten wäre, würde die feine Dosierung nicht mehr
funktionieren. „Frau Stevens“, sprach sie Christina nun recht streng an, „ich
möchte Ihnen jetzt ihre Narkose geben, so wie wir das besprochen hatten. Sie
müssen dafür Ihre Einwilligung geben. Sie wissen das.“
    Ihre Patientin lag schweißgebadet im Kreißbett und flüsterte
nur: „Marc.“
    „Ihr Mann muss gleich da sein, Frau Stevens. Er ist
unterwegs, aber ich möchte trotzdem nicht auf ihn ...“
    „Marc.“
    „Können Sie bitte kurz mit rauskommen?“, fragte die Hebamme.
„Was gibt es denn?“
    „Ich möchte Ihnen gerne etwas zeigen. Vielleicht kann das
den Zustand von Frau Stevens aufklären.“
    Dr. Fuhrmann folgte der Hebamme ins Schwesternzimmer. „Hier,
schauen Sie sich das ’mal an, Frau Doktor!“ Die Chefärztin überflog
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