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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos
Autoren: Jules Verne
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bedauernswerthen Lage der Hulda Hansen. Hätte sie jetzt das Loos Ole Kamp’s noch besessen, gewiß hätte ihr Jedermann – natürlich nach dem eigenen lieben Ich – den besten Erfolg gewünscht.
    Zu dieser Stunde hatten schon mehrere Personen Kenntniß von der im »Morgen-Blad« enthaltenen Depesche und sprachen darüber mit den Nebenstehenden. Bald wußte man nun in der ganzen Versammlung, daß die Nachforschungen des Avisos zu keinem Ziele geführt hatten; die Sache war abgeschlossen, man mußte darauf verzichten, nur eine einzige Planke des »Viken« wiederzufinden. Von der Besatzung hatte kein Mann den schrecklichen Schiffbruch überlebt. Hulda würde ihren Verlobten nimmer wiedersehen.
    Da lenkte ein Zwischenfall die Aufmerksamkeit nach anderer Seite ab. Es verbreitete sich nämlich das Gerücht, Sandgoïst habe sich doch entschlossen, Drammen zu verlassen, und Einige behaupteten sogar, ihn in den Straßen von Christiania schon gesehen zu haben. Sollte er wirklich die Kühnheit haben, in diesem Saale zu erscheinen? Wenn es der Fall war, durfte der schlechte Mann sich eines Ausbruchs der allgemeinen Entrüstung gegen ihn versehen. Er… der Ziehung der Lotterie selbst beiwohnen?… Nein, das war so unwahrscheinlich, daß es gar nicht möglich war, die Sache lief auch auf nichts weiter, als auf einen blinden Lärmen hinaus.
    Gegen zweieinviertel Uhr entstand eine gewisse Bewegung im Saale.
    Eben zeigte sich der Professor Sylvius Hog im Thore der Universität. Man wußte wohl, wie viel Antheil er an der ganzen Angelegenheit hatte und wie er nach erfolgter eigener Rettung durch die Kinder der Frau Hansen ehrlich bestrebt war, seine Schuld heimzuzahlen.
    Sofort öffneten sich die Reihen der zunächststehenden Landleute. Ein schmeichelhaftes Murmeln, auf das Sylvius Hog durch freundliches Nicken mit dem Kopfe antwortete, lief durch die Menschenmenge und wuchs bald zu lebhaften Zurufen an.
    Der Professor war jedoch nicht allein. Als die Ersten zurückwichen, um ihm Platz zu machen, sah man, daß er ein junges Mädchen am Arme führte, während ein junger Mann den Beiden nachfolgte.
    Ein junger Mann und ein junges Mädchen! Wie ein elektrischer Schlag durchzuckte es die guten Leute. Derselbe Gedanke sprang in allen Köpfen so gleichzeitig auf, wie der Funken von ebenso vielen Accumulatoren.
    »Hulda!… Hulda Hansen!«
    Dieser Name drängte sich unwillkürlich aus jedem Munde.
    Ja, es war Hulda, aber so erregt, daß sie sich kaum aufrecht zu erhalten vermochte. Ohne den Arm Sylvius Hog’s wäre sie gewiß zusammengebrochen. Dieser aber hielt sie ordentlich fest, die reizende Heldin dieser festlichen Stunde, der nur ihr Ole Kamp fehlte. Und doch, wie viel lieber wäre sie in ihrem kleinen Stübchen in Dal geblieben, und wie drängte es sie, sich dieser, wenn auch noch so wohlgemeinten theilnehmenden Neugier zu entziehen. Sylvius Hog hatte es jedoch gewollt, daß sie hierherkäme und so war sie gekommen.
    »Platz! Platz!« rief man von allen Seiten.
    So dicht die Menge gedrängt stand, wich sie doch vor Sylvius Hog, vor Hulda und Joël zurück. Aber wie viele Hände streckten sich aus, um die ihrigen zu erfassen! Wie viele freundliche Begrüßungsworte wurden ihnen beim Vorüberkommen zugerufen, und mit wie sichtlicher Befriedigung nahm Sylvius Hog diese freiwilligen Huldigungen entgegen!
    »Ja, sie ist es, liebe Freunde!… Das ist meine kleine Hulda, die ich von Dal mit hergebracht habe!« sagte er.
    Darauf wandte er sich um.
    »Und das ist Joël, ihr wackerer Bruder!«
    Dann setzte er aber noch hinzu:
    »Nun thut mir noch den einzigen Gefallen, uns nicht aus Liebe zu erdrücken!«
    Und während die Hand Joëls auf jeden Druck antwortete, wurde die minder kräftig gebaute Hand des Professors unter der Pressung, die sie zu erdulden hatte, fast zerbrochen. Gleichzeitig aber glänzte sein Auge vor Freude auf, obgleich eine kleine Thräne der Rührung in seinen Lidern hing. Aber – eine der Aufmerksamkeit der Ophtalmologen würdige Erscheinung – – diese kleine Thräne war fast lachend.
    Es bedurfte einer guten Viertelstunde, die Höfe der Universität zu durchschreiten, nach dem großen Saale zu gelangen und hier die Stühle zu erreichen, welche für den Professor aufbewahrt worden waren. Endlich war es jedoch, freilich nicht ohne einige Mühe, gelungen. Sylvius Hog nahm zwischen Joël und Hulda Platz.
    Um einhalb drei Uhr öffnete sich eine Thür auf dem Podium an der Schmalseite des Saales. Es erschien der
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