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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos
Autoren: Jules Verne
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Ziehung beizuwohnen, denn wenigstens gestern befand er sich ja in seinem Hause zu Drammen.
    Hulda fühlte sich sehr erregt und Joël bemerkte, wie ihr Arm in dem seinen zitterte; so gingen sie rasch weiter, um nicht noch mehr zu hören, als hätten sie gefürchtet, von allen den unbekannten Freunden, die sich unter der Menge kundgaben, erkannt und angerufen zu werden.
    Wenn sie darauf gerechnet hatten, vielleicht Sylvius Hog in der Stadt zu treffen, so ging das nicht in Erfüllung. Einzelne Worte aus den ihnen zu Ohren gekommenen Gesprächen ließen sie jedoch erkennen, daß des Professors Rückkehr nach Christiania schon unter den Leuten bekannt geworden war. Schon von früh an hatte man ihn sehr geschäftig und wie einen Mann, der weder zu fragen, noch Antwort zu geben Zeit hat, und zwar einmal nach dem Hafen und dann wieder nach den Marinebureaux dahineilen sehen.
    Joël hätte gewiß jeden Vorüberkommenden fragen können, wo der Professor Sylvius Hog wohnte, und Jeder hätte ihm ebenso gewiß das betreffende Haus gezeigt oder ihn gleich selbst dahin geführt. Er that dies aber nicht, aus Furcht indiscret zu erscheinen, und da sie verabredet hatten, sich im Hôtel wieder zu treffen, schien es ihm am besten, dahin zurück zu gehen.
    Es war zehneinhalb Uhr, als Hulda ihren Bruder darum bat. Sie fühlte sich angegriffen, und jene Auslassungen, in welchen ihr Name immer wieder genannt wurde, thaten ihr wehe.
    Sie begab sich also wieder nach dem Hôtel Victoria und daselbst nach ihrem Zimmer, um Sylvius Hog zu erwarten.
    Joël blieb in dem im Erdgeschoß gelegenen Lesesaal des Hauses zurück, wo er sich damit beschäftigte, zum Zeitvertreib die Zeitungen von Christiania zu durchblättern.
    Plötzlich wurde sein Gesicht todtenbleich und sein Auge trübe – das Blatt, welches er eben las, fiel ihm aus der Hand…
    In der betreffenden Nummer des »Morgen-Blad« hatte er unter den Seenachrichten eben folgende, aus New-Foundland angelangte Depesche gelesen:
    »Der Aviso »Telegraf« hat an der vermuthlichen Stelle des Schiffbruches des »Viken« keine Spur von letzterem entdecken können. Ebenso erfolglos waren seine Nachforschungen an der Küste von Grönland. Man darf also leider annehmen, daß von der Besatzung des »Viken« kein Mann mehr am Leben ist.«
XVIII.
    Das war eine Ansammlung von Menschen im größten Saale der Universität von Christiania, wo die Ziehung der Lotterie vor sich gehen sollte! – Selbst in den Gängen und Höfen, da der große Saal die ganze Volksmenge nicht zu fassen vermochte, stand Alles gedrängt voll, und sogar bis hinaus in die benachbarten Straßen, da selbst die Höfe noch zu klein waren, um alle Interessenten aufzunehmen.
    An jenem Sonntag des 15. Juli hätte man die ganz außergewöhnlich erregten Norweger freilich nicht an der ihnen sonst angeborenen Ruhe erkennen können. Rührte diese Erregung wohl von dem Interesse her, das sich an die bevorstehende Lotterieziehung knüpfte, oder war nur die hohe Luftwärme dieses Sommertages daran Schuld? Vielleicht trugen Interesse und Hitze mit gleichen Theilen dazu bei; wenigstens vermochte der gewaltige Consum erquickender Früchte, jener »Multers« (Berghimbeeren), welche in ganz Skandinavien in so großen Mengen verzehrt werden, sie heute nicht zu dämpfen.
    Pünktlich um drei Uhr sollte die Ziehung stattfinden. Für dieselbe waren hundert Loose in drei Serien getheilt worden, deren erste neunzig Gewinne von hundert bis tausend Mark im Gesammtwerthe von fünfundvierzigtausend Mark enthielt; die zweite umfaßte neun Gewinne von tausend bis neuntausend Mark ebenfalls im Werthe von fünfundvierzigtausend Mark; die dritte nur einen Gewinn von hunderttausend Mark.
    Entgegen der Gewohnheit, welcher man sonst bei derartigen Lotterien folgt, war hier der Haupttreffer bis zuletzt aufgehoben, nicht der ersten gezogenen Nummer sollte das große Loos zufallen, sondern der hundertsten Nummer. Selbstverständlich bewirkte das eine sich immer steigernde Spannung und immer heftigeres Herzklopfen bei den Anwesenden. Wir brauchen natürlich nicht zu betonen, daß eine Nummer, welche schon einmal gewonnen hatte, nicht ein zweites Mal gewinnen konnte, und für ungiltig erklärt wurde, im Falle sie noch einmal aus den Urnen hervorkam.
    Alles das war Jedermann bekannt und es galt jetzt nur noch, die bestimmte wichtige Stunde abzuwarten. Um aber die Langeweile beim Warten hinwegzutäuschen, plauderten Alle lebhaft und zwar am häufigsten von der
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