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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition)
Autoren: Juliet Ashton
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Laut, das erste nichthässliche Geräusch, das sie seit dem Anruf gemacht hatte. «Die ist von Sim.»
     
    Hausarbeit war ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, etwas, was sie früher getan hatte. Das Cottage schlummerte unter einer sechs Tage alten Staubschicht. Miss Orla Cassidy hing, in eine Decke gehüllt, auf dem Sofa und starrte ausdruckslos auf den Fernseher, der ungehört vor sich hin jodelte. Sie sah nur Sim, als ob ihr Gehirn ein Filmprojektor wäre, der nur alte Filme zeigen konnte.
    Die Hilfstruppen hatten sich formiert. Die Schule verhielt sich «super», wie Orla es ausdrückte, und ließ ihr so viel Freiraum, wie sie brauchte. Die Cassidys zogen alle am gleichen Strang und brachten ihr Aufläufe und Biskuitkuchen und boten ihr so viel familiäre Hilfe an, wie sie sich nur wünschen konnte. Das Essen wanderte direkt in den Mülleimer, die Angebote vergaß sie.
    Der rosafarbene Umschlag stand zwischen den Ryanair-Tickets mitten auf dem Kaminsims, noch immer ungeöffnet. Er war ständig in Bewegung und begleitete Orla vom Nachttisch zum Badezimmerschränkchen und zum Küchenregal. Er war ein Symbol, aber wofür es stand, wusste sie noch nicht. Sie geriet in Panik, wenn sie ihn einmal nicht mehr sehen konnte, aber es kam gar nicht in Frage, ihn zu öffnen. Sie wusste, was sie da lesen würde. Und es würde sie umbringen.
    Wenn mich nur
, dachte sie mit genau dem erbärmlichen Selbstmitleid, das sie so hasste,
wenn mich nur wirklich etwas umbringen würde.
    Sim war gut im Kartenschreiben. Er ließ es niemals bei einem hastig hingekritzelten «Hab dich lieb» oder einer eiligen Unterschrift bewenden. All seine geschriebenen Botschaften an Orla waren sorgfältig durchkomponiert. Sie las sie immer wieder und hatte erst neulich eine flache Schachtel gekauft, in der sie sie aufbewahrte. Groß, türkis-cremefarben gestreift, war sie so auffällig wie eine Hutschachtel aus der Zeit Edwards des VII . Jetzt stand sie Tag und Nacht offen auf dem Couchtisch.
    Immer wieder angelte Orla darin herum. Sein erstes «Ich liebe dich» auf einer Hello-Kitty-Karte (er kannte all ihre heimlichen Laster). Es fiel ihr schwer, sie jetzt anzusehen, aber dennoch las sie sie zigmal am Tag, ebenso wie die Karte mit Al Pacino darauf, in der er nach einem längst vergessenen Streit leidenschaftlich um Vergebung bat, und seine Ode an die dunklen Tiefen ihrer Haare, die so verführerisch über ihre nackten, sommersprossigen Schultern flossen. Er hatte sie auf einer Snoopy-Karte verewigt.
    Irgendwo in der Schachtel lag auch die Karte, die er ihr an seinem zweiten Tag in London geschickt hatte. Darauf waren winzig kleine Fotos roter Telefonzellen, des London Eye, Soldaten mit Bärenfellmützen und eine Taube abgebildet.
    Warum die Taube? (Er hatte einen Pfeil gemalt, der auf den Vogel zeigte.) Die Wohnung ist GROSSARTIG . Du würdest sie lieben. Ja, runzel ruhig die Stirn, das würdest du verdammt noch mal tun. Die Gegend ist sehr, sehr LONDON . Kosmopolitisch, vibrierend, voller Leben. Sehr Sim! Und sie könnte auch sehr Orla sein, wenn du nicht so eine sture alte Schrulle wärst. Was für ein Glück, dass ich sture alte Schrullen sehr, sehr sexy finde. X
    Die Angelaktion des heutigen Morgens hatte eine glänzende Reproduktion eines alten Fotos vom St. Stephen’s Green ergeben, dem berühmten Parkstreifen direkt im Zentrum von Dublin. Er hatte sie ihr 2010 geschickt.
    Zieh mit mir zusammen. Na los! Zieh mit mir zusammen und sei meine große Liebe. Es ist billiger, gemütlicher, viel, viel kuscheliger (du weißt doch, was ich mit kuschelig meine, oder?). Ich halte es nicht aus, eine Minute länger als unbedingt nötig von dir getrennt zu sein. Ich mache einen Kleiderschrank und eine Schublade für dich frei und sogar ein ganzes Regalbrett im Badezimmer. Du kannst für mich kochen. Wir werden ohne Ende Spaß haben!
    Mit großen Augen hatte Orla diese Einladung ausgeschlagen. «Bist du verrückt geworden? Ich soll mit dir im Keller deiner Eltern wohnen? Stell dir mal vor, was deine Mutter sagen würde. Also, das sehe ich nicht, Simeon Quinn.» Darauf hatte Sim auf einem Notizzettel mit dem Aufdruck einer Wohltätigkeitsorganisation geantwortet. Er hatte erklärt, dass er ohne die finanzielle Unterstützung «der Alten» (wie er sie nannte) nun mal nicht klarkäme, aber sobald der große Durchbruch da sei, der Ruhm und das Geld, würden er und Orla ein großes Haus kaufen, er würde ihr einen Heiratsantrag machen, und sie würden
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