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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition)
Autoren: Juliet Ashton
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denken.
    Mühelos las sie zwischen den Zeilen der zweiten, letzten,
echten
Valentinskarte.
    Du hättest es wieder getan, Sim. So wie das irische Sprichwort sagt:
Was kannst du von einer Katze anderes erwarten als Kätzchen?
Sim lebte für das Vergnügen und konnte sich selbst nichts versagen. Er hatte geglaubt, ein Recht auf die Erfüllung seiner Wünsche zu haben. Wäre er am Leben geblieben, er wäre früher oder später zu neuen Eroberungen aufgebrochen.
    Sie blieb plötzlich stehen, was auf einem belebten Londoner Gehweg nicht ratsam ist. Unter Entschuldigungen trat sie an die Bordsteinkante neben einen großen, rostigen Container. Orla öffnete das Tagebuch auf der letzten Seite, las den Eintrag. Und lächelte.
    Denn was hatte Sim getan, nachdem er seine Bitte um Beistand an den heiligen Valentin gerichtet hatte? Er war losgegangen, um Reece zu finden.
    Orlas bestens dokumentierte Naivität hatte dafür gesorgt, dass sie sich nie gefragt hatte, was genau ein Schauspieler um sechs Uhr morgens vor dem Büro seines Agenten zu suchen hatte. Er war auf dem Weg zu Reeces Wohnung über dem Büro gewesen.
    Du hattest dein Versprechen bereits gebrochen. Du hast versucht, die Karte abzufangen, bevor er sie lesen konnte
. Sie dachte an Sim, wie er panisch versucht hatte, der Valentinskarte die Kontrolle über seine Zukunft wieder zu entreißen, nicht ahnend, dass seine Zukunft nur noch fünf Minuten dauerte.
    Du hattest dich nicht verändert, das konntest du nicht
. Sim war glatt, ausweichend, unehrlich gewesen. Aber auch herrlich und warm und unwiderstehlich. Liebenswert. Ein liebenswerter Mann.
    Du und ich, wir hätten bloß ein Techtelmechtel haben sollen
.
    Orla warf das Tagebuch in den Container. Sein leiser Aufprall darin beendete ihren Dialog mit Sim. Sie musste seine Gründe und weiteren Abenteuer nicht kennen. Nichts davon zählte mehr. Alles, was sie wirklich wissen musste, trug sie in sich.
    Orla überquerte die Straße, tänzelte um Fahrzeuge herum, in dem Vertrauen darauf, dass ein bestimmter Heiliger – und es war nicht Judas – seine schützende Hand über sie halten würde, wenn der Bus Nummer sieben auf sie zuhielt.
    Sei da
, flehte sie.
    Orlas Blut pulsierte in ihren Adern. Ihre innere Landschaft veränderte sich ein wenig. Farbe kroch hinein, wie wenn nach langer Dürre Regen den Boden durchtränkt. Sie hatte das Nachdenken und die Neubewertung hinter sich, jetzt war es Zeit zu handeln, und sie konnte es nicht erwarten.
    Obwohl die Tische zu drei Viertel besetzt waren, war es im Café ruhig, eine Ruhe, wie sie in einer Bibliothek herrschte, nur dass hier Menschen statt mit Büchern andächtig mit Essen kommunizierten. Orla war die einzige Frau neben der gelangweilt aussehenden Bedienung, die ihr zwei
rogaliki
und einen honigsüßen Kaffee verkaufte.
    Orla blieb neben dem Stuhl gegenüber von Marek stehen. «Darf ich?»
    Er hatte sie hereinkommen sehen, von seinem dampfenden Kaffee aufgeblickt und war ihr mit den Augen gefolgt, als sie ihr Tablett den Tresen entlangschob und an der Kasse bezahlte.
    Marek nickte und legte seinen Kaffeelöffel ab. Er blieb still. Er würde nicht sprechen, sagte diese Stille, bis sie ihre Karten auf den Tisch gelegt hatte.
    Sein Gesicht war ihr jetzt noch teurer, wo sie es in Fleisch und Blut und dreidimensional endlich wieder vor sich sah. Sie hatte sich oft an seine Augen erinnert, aber nie die Geschichte in ihnen gesehen, eine Fabel von Pflichterfüllung und Verlust und Erfahrung. Und Einsamkeit.
    Es hatte eine Weile gedauert, bis sie Letzteres verstanden hatte. Marek hatte so viel Format und Selbstbewusstsein. Er ging in großen Schritten. Er bat keinen um einen Gefallen. Aber er war einsam, und er brauchte eine Gefährtin, jemanden, den er beschützen konnte und die im Gegenzug ihn beschützen würde. Jemanden, der ihn verstand.
    Orla setzte sich und stellte sorgfältig ihr Tablett ab. Sie sah Marek in die Augen. Der Teekessel zischte. Jemand blätterte eine Zeitung um.
    Orla begann.
    «Du musst gar nichts sagen. Aber du solltest wissen, dass ich gehört habe, was du zu mir gesagt hast. Ich habe es gehört, und jetzt will ich es erwidern. Ich liebe dich, Marek. Ich habe den Zug verpasst, das ist mein Problem, aber du musst mir zuhören. Du musst nichts antworten. Darum geht es nicht. Aber du sollst wissen, dass du geliebt wirst. Und vermisst. Und dass ich dich will. Und hier hast du ein
rogaliki
, weil ich weiß, dass du die magst.»
    Orla hielt Marek den kleinen,
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