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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition)
Autoren: Juliet Ashton
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rückgängig gemacht werden könnte, aber Juno kannte auch nicht alle Fakten. Sie wusste, dass Marek nach einem Streit an Heiligabend gegangen war, und sie wusste, dass Anthea von ihrer Schuld freigesprochen war. Eines Tages, wenn sich Orla dafür stark genug fühlte und ausreichend Wein im Haus war, würde sie ihr den Grund für den Streit erzählen.
    Für den Moment genügte Orla das Gefühl der Kraft, die wieder in ihre Glieder strömte, der Energie, die in ihr wuchs. Sie verwandelte sich langsam wieder in sich selbst zurück.
    Sie hörte kein Sterbenswort von Reece. Das angekündigte Geschenk traf nie ein. Seine Aufmerksamkeit für sie war wie ein zugedrehter Hahn. Anthea und er mussten gesprochen haben. Sie stellte sich die beiden Knie an Knie in einer Ecke seines Clubs vor, wie sie sich über die durchgeknallte Orla austauschten.
    Orla war es ohnehin leid, sich über Reeces Motive den Kopf zu zerbrechen, den Grad seiner Aufrichtigkeit einschätzen zu müssen, sich zu fragen, ob ihre Freundschaft nur Teil seiner «Schadensbegrenzung» war, wie Anthea es bezeichnet hatte.
    Es lag auf der Hand, dass Reece wusste, wer Sims andere Frau war. Orla konnte zum Hörer greifen, ihn bearbeiten, den ganzen Zirkus wieder von vorne beginnen, aber sie hatte nicht die Absicht, das zu tun. Reeces Verhältnis zur Wahrheit war so gestört, dass Orla sich ohnehin nicht darauf verlassen konnte, was er ihr sagte. Tapfer stellte sie sich darauf ein, nie zu erfahren, was wirklich gewesen war. Die Identität von Sims Miss X sollte ihr egal sein, genau wie das Wie, Wann und Warum seiner Untreue.
    Aber es war ihr nicht egal.
    Sie hätte auch nicht Marek so sehr vermissen sollen, wo sie ihn doch nur wenige Monate lang gekannt hatte.
    Aber sie vermisste ihn.
    Orla nahm ihre Tüten und tauchte wieder in die Menschenmassen im West End ein.
     
    Abena, Sanae, Dominika und die anderen umringten sie lärmend. Sie verlangten zu wissen, ob Orla ihre Geschenke gefallen hatten, und wollten jedes Detail ihrer Weihnachtsferien hören.
    «Ich weiß, was Sie vorhaben.» Sie zeigte mit ihrem Lineal der Reihe nach auf jeden von ihnen. «Sie wollen mich ablenken. Aber das wird Ihnen nicht gelingen. Seite achtundfünfzig, die Herrschaften.»
    Ihre frechen Fragen, ihre Aufmerksamkeit, ihre mangelnde Aufmerksamkeit, alles erfüllte Orla mit Energie. Es war ein durchdringendes, warmes Gefühl. Als sie Dominika lauschte, die fehlerfrei ein behördliches Merkblatt vorlas, an dem sie noch vor wenigen Monaten gescheitert wäre, fühlte sich Orla ganz heiter und ruhig.

Kapitel fünfunddreißig
    D er Januar war nass. Orla ging um Pfützen herum, hüpfte über die wütenden kleinen Bäche in den Rinnsteinen und konnte es kaum erwarten, in Maudes warmer Buchhandlung anzukommen.
    Heute Abend war sie weniger heiter und ruhig.
    Vor kurzem hatte sie sich noch mit einem Phönix verglichen, der mit dem neuen Jahr aus der Asche auferstanden war – Orla, ein emotional robustes Musterexemplar. Doch ihre Verwandlung kam nur noch in gedrosseltem Tempo voran. Ihr Flug verlangsamte sich, sie machte sich wieder zur Landung bereit und konnte nicht umhin, zu bemerken, dass einige der Orientierungspunkte da unten nicht so einladend aussahen.
    Es ist furchtbar, zu erkennen, dass man, als einem die Zutaten fürs Glück gereicht wurden, einfach die Finger geöffnet hat und es hat durchrieseln lassen.
    Entscheide dich
, hatte Marek verlangt. Sie hatte sich entschieden, er hatte sie beim Wort genommen und war gegangen. Nichts an Marek war einfach nur kokett.
    Das Glück, das sie mit ihm gefunden hatte, war wie ein persönlicher roter Teppich, den sie in die Zukunft hätten ausrollen können, der jeden harten Stein abgepolstert hätte.
    Mit Sim hatte es dieses Potenzial nicht gegeben. Sie hatte geglaubt, Sim könne gut lieben. Nun hatte sich herausgestellt: Er hatte nur gute Karten geschrieben.
    Marek jedoch konnte gut – sehr gut – lieben.
    Das Schaufenster von Maude’s Books war hell erleuchtet, und Orla beschleunigte ihre Schritte. «In Zeiten wie diesen», sagte sie und schüttelte an der Tür ihren triefend nassen Regenschirm aus, «beneide ich dich um deine Agoraphobie.»
    «Tee!», sagte Maude bestimmt und verließ ihren Platz an der Kasse. «Bogna!», rief sie, «Komm raus und begrüße Orla!»
    «Oh, hallo! Du bist wieder da.» Orla schüttelte ihre nassen Medusenlocken aus. «Wie war die Reise?» Sie hatte vergessen, dass der Laden heute später zumachte, und fühlte
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