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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition)
Autoren: Juliet Ashton
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gemeinsam zum Altar tanzen, die Babygeschichte erledigen und überhaupt so glücklich sein, wie es zwei normale Menschen nur sein konnten.
    Der große Durchbruch war tatsächlich gekommen – Orlas Zweifel waren widerlegt, Sims Selbstvertrauen bestätigt –, und jetzt lag hier die Valentinskarte, in der eine ungehörte Frage pochte. Jede andere Nachricht von Sim hatte sie ungeduldig aufgerissen und verschlungen, aber Orla wusste immer noch nicht, ob sie diese hier lesen sollte. Seine letzte.
    Würde sie sie vielleicht
trösten
? Wäre es nicht wundervoll, ihn ein letztes Mal zu hören, wenn auch nur in ihrem Kopf?
    Nein
, entgegnete sie,
das wäre es verdammt noch mal nicht
. Warum sollte sie sich diese Qual zumuten? Warum sollte sie einem toten Mann dabei zuhören, wie er sie bat, den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen?
Nur noch einen Tag, und wir wären verlobt gewesen.
Sie schauderte und beschloss, die Karte niemals zu lesen, aber stets bei sich zu behalten. Wenn das Haus in Flammen aufginge, wäre sie das Erste und Einzige, was sie mit sich nehmen würde.
    Von übertriebenem Hochzeitsrummel hielt Orla nichts. Der üppige Traum in Weiß, den Brautstrauß über die Schulter in eine schick herausgeputzte Menge werfen – nein, danke. Orla war romantisch, aber keine Angeberin. Genau wie viele andere Frauen hatte sie ihren «großen Tag» geplant, seit sie mit Wachsmalkreiden Baiserkleider malen konnte, aber wenn sie sich ihre Hochzeit wirklich vorzustellen versuchte, hatte sie immer nur die Bedeutung dieser Vereinigung und das damit verbundene Gefühl vor Augen. Ihre Hochzeit sollte schlicht und einfach sein – kein Motto, nur wenig Schnickschnack. Sie hatte sich und Sim in schicken neuen Kleidern gesehen, wie sie sich oben auf dem Hügel über Tobercree küssten, nachdem sie von demselben Father Gerry ihren Segen empfangen hatten, der auch ihre Eltern getraut und alle fünf Cassidy-Kinder getauft hatte. Sie würden draußen an Tapeziertischen zu Mittag essen. Wenn es hochkäme, würde sie ein paar Laternen in die Bäume hängen. Ihre Freunde würden bis spät in die Nacht trinken und Fleischpasteten essen. Martha Stewart würde womöglich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber Orla und Sim wären Mann und Frau, Frau und Mann (Orla konnte manchmal ein bisschen pedantisch sein, wenn es um Frauenrechte ging). Sie würden verheiratet sein.
    Wenn nicht eine Lungenembolie dazwischengekommen wäre.
    Orla klemmte die Valentinskarte hinter den Spiegel und steckte sich den strohigen Haufen ungewaschenen Haars hoch. Sie bemerkte eine feine Linie unter einem ihrer grünblauen Augen. Mit den Haarklemmen zwischen den Zähnen beugte sie sich näher zum Spiegel, um sie zu begutachten. Sie schaute genauer hin. Die Linie hatte ein paar Freunde, die sich an ihrem Augenwinkel versammelten.
    Orla konnte sich plötzlich ihr zukünftiges Gesicht ganz genau vorstellen, wie es erschöpft und freundlich seine Geschichte erzählte. Sim, dachte sie, würde ihr Alte-Frau-Gesicht niemals sehen.

Kapitel zwei
    G leich zu Beginn ihrer Beziehung hatte Sims Mutter befunden, dass Orla nicht gut genug für ihn sei. Wohlhabend und mit guten Beziehungen, wie sie waren, konnte dem bombenfesten Status der Quinns nicht einmal die irische Rezession etwas anhaben. Sim sollte ein Mädchen aus der besseren Gesellschaft heiraten, jemanden mit langen, gebräunten Beinen und einem Treuhandfonds. Ihr Stadthaus war ihr Schloss, und als Lucy Quinn witterte, dass Orla ihrem Sohn sehr nahekam, zog sie sofort die Zugbrücke hoch.
    «Lass uns den Alten aus dem Weg gehen», pflegte Sim zu sagen, wenn sie hinunter in seine Kellerbude schlichen. Als Einzelkind war er der Dreh- und Angelpunkt der komplizierten Beziehung seiner Eltern. Sie führten eine Ehe, die so anders war als die, der Orla entstammte, dass man die beiden Beziehungsmodelle überhaupt nicht miteinander vergleichen konnte. Vor dem Tod ihres Vaters hatten sich Orlas Eltern ständig gezankt und immer neue geräuschvolle, erfindungsreiche Arten gefunden, sich gegenseitig zur Sau zu machen: für ein im Ausguss liegen gelassenes Spültuch, für das Verpassen der Lieblingsserie oder für das abenteuerliche Zurücksetzen des Autos aus der Ausfahrt. Aber all das war immer sofort wieder vergessen, niemand hegte einen Groll. Beim Abendessen lag stets wieder tiefer Frieden über dem gebackenen Schinken, bis zum Dessert die Eiscreme auf dem Tisch stand und der Krieg wieder aufflammte.
    Bei den
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