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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition)
Autoren: Juliet Ashton
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Sogar Sims Vater hatte sich angepasst und nannte ihn Simeon. Nur Lucy hatte das immer abgelehnt.
Du bist auf den Namen Simon getauft
, hatte sie ihm gesagt.
Nach meinem Vater. Und es ist mir vollkommen egal, dass es schon einen Simon Quinn in der verdammten Irischen Schauspielergewerkschaft gibt. Für mich bist und bleibst du Simon.
    «Oh Gott, der ganze Kram.» Vor Orlas innerem Auge erschien Sims Wohnung, die wunderschönen Simse und Friese darin und die hochpreisige Ausstattung, alles in den Hintergrund gedrängt durch die Fähigkeit ihres Bewohners, Müll und Krempel anzuhäufen und zu horten. Sie musste an Ma denken, die damals, im Jahr 2001 , knietief in schlichten Anzügen vor Pas Seite des Kleiderschranks gehockt und sich die Augen wegen einer Strickjacke ausgeweint hatte. «Ich helfe Ihnen.» Orla schaute auf ihr feuchtes Handtuch hinunter. «Wann soll ich da sein?»
    «Ich brauche keine Hilfe.» Lucy schien von dem Angebot überrascht zu sein und, wie immer, auch ein wenig beleidigt. «Unsere Familie kommt zurecht, vielen Dank.»
    «Natürlich.» Orla respektierte den Schmerz dieser Frau, auch wenn sie gleichzeitig Angst vor ihr hatte. Lucys scharfe Zunge war legendär. «Aber, wissen Sie», fuhr sie vorsichtig fort und achtete dabei darauf, ihre Stimme warm klingen zu lassen, «ich habe ihn auch geliebt und würde gern helfen.» Sie warf einen Blick auf die Valentinskarte.
    «Wenn du befürchtest, dass ich seine Dinge mit deinen verwechsle, dann mach dir keine Sorgen. Ich bin schon durch die Schränke gegangen und habe deine Habseligkeiten in eine Tüte gepackt. Du kannst sie jederzeit abholen.»
    Sie würden auch in der Trauer keine Freunde mehr werden.
    «Darum mache ich mir auch gar keine Sorgen, Lucy. Ich möchte nur helfen. Und um ehrlich zu sein, würde es
mir
helfen, Sims Wohnung noch einmal zu sehen.»
    «Du würdest mich nur aufhalten. Es gibt viel zu tun, und natürlich lastet wieder einmal alles auf meinen Schultern. Ich muss außerdem noch das Apartment in London ausräumen. Vielleicht schicke ich die Haushälterin hin, um das zu erledigen. Maria ist ausgesprochen zuverlässig. Wir sehen uns dann auf der Beerdigung, Orla. Ich weiß, dass Sim dich gerngehabt hat, aber bitte respektiere unsere Privatsphäre in dieser Situation.»
    Er hatte sie gerngehabt
? Orla erinnerte sich an das Gefühl seiner Haut auf ihrer, wie wild und gleichzeitig zärtlich er beim Sex gewesen war. Es hatte keine Privatsphäre zwischen ihr und Sim gegeben. Zusammen waren
sie
eine Familie. Wenn Sim auch nur einen Tag später gestorben wäre, hätte Lucy
auf keinen Fall
so mit ihr sprechen können.
    «Seine Valentinskarte ist an seinem Todestag bei mir angekommen.»
    Das schien Lucy auf dem falschen Fuß zu erwischen. «Ach, tatsächlich?»
    «Ich habe sie noch nicht gelesen. Aber ich weiß, was drinsteht.»
    «In allen Valentinskarten steht dasselbe.» Sie hörte das Klirren von Eis in einem Glas.
    «Es ist ein Heiratsantrag, Lucy. Sim und ich wollten heiraten.»
    Lucy verging das verächtliche Schnauben. «Lies sie vor», befahl sie.
    «Ich kann nicht. Ich kann es nicht ertragen, sie zu öffnen. Aber wir wollten nach seinem großen Durchbruch …»
    «Orla» – man hörte ein leises Schlucken, und Orla sah genau vor sich, wie Lucy ihren sorgsam frisierten Kopf zurücklegte, um ihr Glas Gin Tonic auszutrinken –, «ich bin sicher, es stehen ein paar sehr schöne Dinge in seiner Valentinskarte. Mein Sohn war ein richtiger Schatz, und du hattest großes Glück mit ihm, aber was deine kleine … Phantasie angeht … Glaub daran, wenn es dir hilft, aber mein Rat an dich ist, verbrenn diese Karte. Zum Wohle deiner seelischen Gesundheit.»
    «Es ist keine Phantasie.»
    «Orla, ich muss jetzt Schluss machen.»
    Sie hatte aufgelegt. Kein Auf Wiedersehen, kein einziges warmes Wort.
    Nur noch einen Tag, nur noch ein Telefongespräch, und sie wäre in der Lage gewesen, für Sims Sache zu kämpfen und zu verhindern, dass seine Beerdigung zu einer Farce wurde. Sie hätte eine Rolle gehabt, einen Sinn.
    Sie biss sich auf die Lippe. Es half, die Tränen zurückzuhalten. Orla hatte es so satt zu weinen. Ihr Blick fiel auf ein Porträt von ihr selbst, das ihre Zweitklässler gemalt hatten. Sim hatte es gerahmt und an ihre Küchenwand gehängt.
Sie haben deine ganz besondere Schönheit eingefangen
, hatte er gelispelt. Miss Cassidy hatte grüne Haare, drei Augen und einen sehr, sehr langen Hals.
    Sie seufzte. Es war Zeit, wieder zur
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