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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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Aufenthalt zu genießen.“
    Tante Blanche bedachte sie mit einem tadelnden Blick. „Du hast doch hoffentlich nicht das Gespräch an dich gerissen.“
    „Nein. Lady Haughston sagte, es sei sehr freundlich von dir, mir den Aufenthalt in der Stadt zu ermöglichen“, erklärte Constance in der Hoffnung, Tante Blanche würde sich durch dieses Lob ausreichend geschmeichelt fühlen, um sie mit weiteren Fragen zu verschonen.
    Bedauerlicherweise erreichte sie das Gegenteil damit: Das Lob schien Tante Blanches Interesse an Lady Haughston nur noch zu steigern. Im Verlauf der restlichen Ballnacht und noch während der Heimfahrt in der Mietdroschke wurde sie nicht müde, über Lady Haughston zu reden. Sie lobte ihr gutes Aussehen, ihre vornehme Herkunft und ihre Tugenden, wobei Constance sich fragte, wie Tante Blanche ihre Tugenden bewerten konnte, wenn sie noch nicht mal mehr als drei Sätze mit Lady Haughston gewechselt hatte.
    „Eine wahrlich große Dame“, schwärmte Tante Blanche in den höchsten Tönen. „Manche würden vielleicht sagen, sie gibt sich ein wenig zu auffallend. Aber ich denke da anders. Für meine Begriffe hat sie einen untrüglich guten Geschmack. Das feine Abendkleid war der beste Beweis dafür. Sie ließ es gewiss bei der besten Schneiderin in London arbeiten. Wie ich hörte, bevorzugt sie das Modeatelier von Mademoiselle du Plessis. Und sie kommt aus einer der vornehmsten Familien im ganzen Königreich. Ihr Vater ist der Earl of Selbrooke, müsst ihr wissen, Kinder.“ Sie legte eine Pause ein, und ihr Gesicht nahm einen andachtsvollen Ausdruck an. „Und diese wunderbare Frau zeigt Interesse an uns … diese Ehre. Nicht auszudenken, welche Bedeutung ihre Gunst für Georgina und Margaret haben wird!“
    Constance war freilich nicht aufgefallen, dass Lady Haughston ihren Cousinen auch nur die geringste Beachtung geschenkt hätte. Im Gegenteil, die Dame hatte nur Interesse an ihrer bescheidenen Person gezeigt, obschon sie keine Ahnung hatte, aus welchem Grund. Constance hielt es allerdings für ratsam, keine diesbezügliche Bemerkung zu machen.
    Tante Blanche betrachtete ihre älteste Tochter Georgiana liebevoll. „Du hast heute Abend sehr vorteilhaft ausgesehen, mein Kind. Zweifellos ist Lady Haughston durch dich auf uns aufmerksam geworden. Dieses wunderschöne Kleid kleidet dich fabelhaft. Obgleich ich finde, die Schneiderin hätte sich getrost die Arbeit machen können, einen zweiten Rüschenbesatz am Ausschnitt anzunähen.“
    Auch diesmal hütete Constance ihre Zunge. Ihrer Meinung nach war Georgianas Ballkleid Lady Haughston höchstens deshalb aufgefallen, weil es an schlechtem Geschmack kaum zu überbieten war. Ihre Tante und Cousinen hatten ein unseliges Faible für ein Übermaß an Volants, Rüschen, Bändern und Schleifen, mit denen sie sich bis zur Lächerlichkeit schmückten. Georgiana wirkte in den gerüschten Tüllwolken und all dem anderen schmückenden Beiwerk noch plumper, und die winzigen aufgedrehten Löckchen, die ihr pausbäckiges Gesicht umrahmten, machten alles nur schlimmer.
    Aber Constance hatte vor geraumer Zeit gelernt, dass jeder Versuch, die Mädchen oder Tante Blanche davon zu überzeugen, dass eine schlichtere Aufmachung sie vorteilhafter aussehen ließe, in einem Desaster endete. Jedes Mal fielen die drei wie Furien über sie her und warfen ihr vor, sie sei nur neidisch und eifersüchtig.
    Also schwieg sie und hörte sich gelangweilt an, wie Tante Blanche und ihre Töchter sich darüber ereiferten, welche Vorteile ihnen die Bekanntschaft mit Lady Haughston bringen würde und wie sie ihre Kleider für den nächsten gesellschaftlichen Anlass noch schöner schmücken könnten. Bald schweiften Constances Gedanken in die Ferne. Allerdings kreisten ihre Überlegungen nicht um das rätselhafte Interesse von Lady Haughston an ihrer Person, auch nicht darum, ob die Dame ihr Versprechen einlösen und sie am nächsten Tag abholen würde.
    Auch später, nachdem Constance die schmale Hintertreppe in dem Haus, das ihr Onkel und ihre Tante für die Dauer der Saison in London angemietet hatten, zu ihrer Kammer hinaufgeeilt war und sich entkleidet, das Nachthemd übergestreift und sich ihr langes, volles Haar gebürstet hatte, verweilten ihre Gedanken unablässig bei den blauen Augen eines gewissen Viscounts. Und die Frage, ob sie besagten Herrn je wiedersehen würde, ließ sie eine gute Stunde nicht einschlafen.
    Am folgenden Morgen verwendete Constance besondere Sorgfalt auf ihre
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